Logopädenmangel

«Kinder verpassen wertvolle Meilensteine» – über ein Jahr Wartezeit für Therapie

· Online seit 12.05.2022, 07:24 Uhr
Logopädinnen und Logopäden sind nicht nur in Schulen von grosser Bedeutung, sondern auch in Spitälern. An einen Therapieplatz kommt man jedoch nur schwer. Und zwar nicht nur im Kanton Aargau, schweizweit herrscht in der Branche ein Fachkräftemangel.
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Die Logopädinnen und Logopäden fördern die sprachliche Entwicklung. Sie werden dann in Anspruch genommen, wenn Kinder und Erwachsene sprachliche Beeinträchtigungen aufweisen. Durch die Therapie sollen sie lernen, Barrieren in der Kommunikation zu überwinden, sie abzubauen, um sich in der persönlichen Ausdrucksfähigkeit weiterzuentwickeln. In vielen Kantonen fehlen dafür jedoch die Fachkräfte, davon ist vor allem der Aargau betroffen. Weshalb das der Fall ist und was für Konsequenzen der Mangel hat, erzählt Milena Loffredo, Mediensprecherin des Aargauer Logopädinnen- und Logopäden-Vereins.

«Es gibt zu wenig Ausbildungsplätze»

Grund für die langen Wartezeiten ist laut Loffredo der Fachkräftemangel. «Zudem stehen wenig Ressourcen für die Logopädie zur Verfügung.» Das, weil unter anderem die neue Ressourcing-Akademie dazu geführt hat, dass insgesamt weniger Lektionen für die Logopädie vorhanden sind. Doch nicht nur der Aargauer Logopädinnen und Logopäden Verein bemerkt einen Fachkräftemangel, sondern auch das Deutschschweizer Pendant. An Interessenten für die Studienplätze soll es laut Bérénice Wisard, Präsidentin des Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopädenverband, aber nicht mangeln: «Es fehlte uns an Ausbildungsplätzen.» Studierende, die sich für die Logopädie interessieren und auch geeignet für den Studiengang waren, mussten auf die Warteliste für die Ausbildung. Ausschlaggebend dafür soll – laut Wisard – die Politik sein: «Ausbildungsplätze kosten und wir sind nicht der einzige Beruf im Bereich Gesundheit und Bildung, die mehr fordern.»

Mittlerweile soll laut Wisard die Politik «endlich» reagiert haben und bietet finanzielle an zwei von vier Ausbildungsstätten mehr Studienplätze an. Darunter befindet sich auch die Fachhochschule Nordwestschweiz.

Fehlende Therapieplätze für Betroffene

Im Kanton Aargau müssen Kinder zwischen zwei und vier Jahren, bis zu sechs Monate auf einen Therapieplatz warten. In den Schulen kann es bis zu einem Jahr gehen, teilweise auch länger. «In dieser Zeit kann ein wertvoller Meilenstein der Sprachentwicklung verpasst werden», so Loffredo. Damit die Kinder im Frühbereich für den Eintritt in den Kindergarten bereit sind, müssen die Therapieblöcke begrenzt werden. «So können wir möglichst viele Kinder mindestens einmal therapieren. Die Therapie wäre aber noch lange nicht abgeschlossen», erzählt Loffredo.

Ein weiterer Trend zeigt, dass die Fälle immer komplexer werden: «Das liegt unter anderem daran, dass Kinder lange auf Therapieplätze warten müssen. Aber auch andere Faktoren kommen dazu, wie die Digitalisierung und die zunehmende Sinnesbeeinträchtigung», erwähnt Loffredo. Durch eine Zunahme der Komplexität, steigt die Anzahl der Therapiestunden, welche in die Betroffenen investiert werden müssen.

«Leidensdruck könnte zunehmen»

Eine fehlende Therapie kann schlimme Auswirkungen auf den Alltag der betroffenen Person haben. So kann es dazu führen, dass sich die Betroffenen zurückziehen und die Kommunikation mit Freunden und Familie einschränken – aufgrund von Scham. «Das kann zu psychischen und sozialen Schwierigkeiten führen», so Loffredo. Weiter könnte eine fehlende Behandlung zu einer eingeschränkten Teilnahme am Schulunterricht führen. «Die Suche nach einer Lehrstelle kann sich dadurch beispielsweise als schwierig gestalten.» Weil viele Arbeitgeber eine gute kommunikative Fähigkeit und Rechtschreibung voraussetzen.

Doch nicht nur bei Kindern kann es zu einem negativen Effekt bei einer fehlenden Betreuung kommen, sondern auch bei den Erwachsenen: «Wenn eine Schluckstörung besteht, kann eine Mangelernährung entstehen. Durch eine fehlende Therapie kann es dadurch eine Lungenentzündung geben, die wiederum einen Spitalaufenthalt mit sich zieht», sagt Wisard abschliessend.

(mbr)

veröffentlicht: 12. Mai 2022 07:24
aktualisiert: 12. Mai 2022 07:24
Quelle: ArgoviaToday

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