Gesundheitskosten

Neue Therapien geben Schwerkranken Hoffnung – doch das hat seinen Preis

· Online seit 02.10.2023, 13:58 Uhr
Die Kosten im Gesundheitswesen steigen, gleichzeitig werden laufend vielversprechende – aber auch teure – Therapien entwickelt. Eine Studie will hier Transparenz für eine Debatte schaffen. Im Kern geht es um die Frage: Wie viel darf ein Menschenleben die Allgemeinheit kosten?
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Die sogenannten CAR-T-Zelltherapien haben das Potenzial zu einem Durchbruch in der Behandlung besonders aggressiver Formen von Blut- oder Lymphdrüsen-Krebs. Zugelassen sind die Therapien für Patienten, bei denen alle anderen Mittel machtlos waren. Ein enormer Fortschritt in der Krebsbekämpfung, sagt etwa der Onkologe Heinz Läubli, Leiter des Labors für Krebs-Immuntherapie am Unispital Basel. «Zwei Jahre nach der Behandlung ist die Hälfte der Patienten, für die es zuvor keine Hoffnung mehr gab, noch am Leben.»

Der Vorteil der Therapie ist laut Läubli, dass sie mit der körpereigenen Immunabwehr als Verbündeten den Krebs langfristig in Schach halten kann. Doch das hat seinen Preis: Eine einzige Infusion kostet laut Listenpreis rund 370'000 Franken. Laut einer Analyse von neun Schweizer Krankenversicherern kommen in den folgenden zwei Jahren nochmal 215’000 Franken für die medizinische Begleitung dazu.

Teure Lebensretter

Die CAR-T-Zelltherapie ist mit ihren hohen Kosten kein Einzelfall. Bei vielen innovativen medizinischen Behandlungen sieht es ähnlich aus, wie die Zeitungen von CH Media schreiben. Die Autorinnen und Autoren der Studie wollen hier Transparenz schaffen. So soll die Gesellschaft sachlich diskutieren können, wie eine nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens künftig sichergestellt werden kann.

In der Schweiz erkranken mehr als einer von fünf Menschen vor dem 70. Lebensjahr an Krebs. Noch profitieren nicht viele von der neuen Therapie. Auch, weil sie derzeit nur bei bösartigen Bluterkrankungen angewendet wird. Das dürfte sich künftig aber ändern, weil Wissenschafter und Wissenschafterinnen intensiv daran arbeiten, die Gentherapie für weitere Krebsarten zu etablieren.

«Wenn die Preise dafür auf dem heutigen Niveau bleiben oder gar noch weiter steigen, kommen damit enorme Kostensteigerungen auf das Gesundheitswesen zu, die sich unweigerlich auf die Krankenkassenprämien niederschlagen werden», warnt Maria Trottmann, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Krankenkasse Swica an der Studie beteiligt war. Schon heute verursachten Medikamente fast ein Drittel der gesamten Kostensteigerung. Wieso Krebsmedikamente so teuer sind, ist nicht immer nachvollziehbar.

Was ist ein gutes Lebensjahr wert?

Die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin hat das Problem der neuen und teuren Medikamente in einer Stellungnahme für das Bundesamt für Gesundheit beleuchtet. «Selbst in einem reichen Land wie der Schweiz stehen nicht unbegrenzt finanzielle Mittel zur Verfügung», sagt dazu Markus Zimmermann, Vizepräsident der Ethikkommission. «Braucht es mehr Geld für teure Behandlungen, muss das anderswo eingespart werden, beispielsweise im Präventionsbereich oder bei Vorsorgeuntersuchungen.» Das könne schlimmstenfalls negative Konsequenzen für die Gesundheit der Gesamtbevölkerung nach sich ziehen.

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Auch anderswo wird darüber diskutiert. Als eines von wenigen Ländern hat Grossbritannien bereits einen Schwellenwert definiert, wonach die versicherungspflichtigen Behandlungen für ein gerettetes Lebensjahr in der Regel maximal zwischen 20'000 und 30'000 Pfund betragen dürfen.  Das Schweizer Bundesgericht hielt 2010 in einem Urteil fest, dass sich international eine obere Schwelle des Zahlbaren von 100'000 Franken pro gerettetes Lebensjahr abzeichne, ohne dabei auf die Lebensqualität einzugehen.

Was ist ein gutes Lebensjahr wert? Die politische Debatte um diese Frage muss noch geführt werden. Nur: Es handle sich dabei um ein heikles Thema, das in der Politik kaum sachlich diskutiert werden könne, sagt die Expertin Trottmann. Aus Sicht der Generationengerechtigkeit sei es aber notwendig, politisch darüber zu verhandeln, wie wir als Gesellschaft mit neuen Therapien umgehen können, deren Nutzen nicht gesichert ist und deren Kosten unklar sind.

(osc)

veröffentlicht: 2. Oktober 2023 13:58
aktualisiert: 2. Oktober 2023 13:58
Quelle: Today-Zentralredaktion

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