«Schwarze Liste»

Nicht alle Kantone melden übergriffige Lehrpersonen – obwohl sie müssten

02.05.2023, 09:37 Uhr
· Online seit 02.05.2023, 09:12 Uhr
Wenn Schweizer Lehrpersonen gegenüber Minderjährigen übergriffig werden, führt das zu einem Berufsverbot. Und sie müssten auf einer Liste der Lehrpersonen ohne Unterrichtsberechtigung eingetragen werden. Doch nicht alle Kantone halten sich daran.
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Die schweizweit geführte Liste hat eigentlich zum Ziel, Kinder vor Übergriffen durch Lehrpersonen zu schützen. Gründe für einen Eintrag auf dieser «schwarzen Liste» können psychische Erkrankungen, Suchtprobleme oder eben Sexualdelikte sein. Insgesamt waren Anfang 2023 92 Personen auf der Liste verzeichnet.

Nur gut die Hälfte der Kantone meldet Fälle

Doch die Liste hat einen grossen Schwachpunkt. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, verzichten viele Kantone gänzlich auf Einträge, obwohl sie Kenntnis von Fällen hätten. Der Zweck der Datenbank sei dadurch grundsätzlich infrage gestellt.

Auf der aktuellen schwarzen Liste seien nur Personen aus zwölf Kantonen zu finden. Die meisten Einträge gebe es im Kanton Zürich. 24 Personen seien dort auf der Liste registriert. St.Gallen führe 16 Namen auf, Bern 15. Viele andere fehlen dagegen komplett.

Kleinkantone würden dies damit begründen, dass es bei ihnen schlicht noch nie einen Fall gegeben habe, der einen Eintrag nötig gemacht hätte. Bei anderen, etwa der Waadt und dem Tessin, wurde die Pflicht zur Registrierung aber offensichtlich nicht erfüllt. Dort seien nämlich in den vergangenen Jahren Vorfälle bekannt geworden, die einen Eintrag nötig gemacht hätten.

Der Aargau hat momentan zwar vier Lehrpersonen gelistet. Es fehlt aber ein Lehrer, der wegen sexueller Handlungen mit einem 15-jährigen Schüler verurteilt worden war. Die Registrierung durch das Bildungsdepartement ist aber nicht erfolgt.

Kantone wollen nachbessern

Melden die Kantone Übergriffe womöglich bewusst nicht? Etwa, weil sie den Lehrermangel nicht noch verschärfen wollen? Myriam Ziegler, Leiterin des Zürcher Volksschulamts, weist diese Vermutung gegenüber dem Tages-Anzeiger zurück.

Ziegler glaube nicht, dass Schulen durch den Lehrermangel weniger genau hinschauen. Bewerber müssten vor jeder Anstellung zwingend einen Strafregisterauszug und einen sogenannten Sonderprivatauszug vorlegen, der alle Urteile mit einem Berufs- oder Kontaktverbot enthält.

Auf die Problematik angesprochen, verspricht der Kanton Waadt Besserung. «Wir arbeiten derzeit an der gesetzlichen Grundlage, die uns noch fehlt, um dies umsetzen zu können, aber die Dinge gehen gut voran», wird Julien Schekter vom Bildungsdepartement zitiert.

Aus dem Tessin klingt es ähnlich. «In der Tat gibt es bis heute keine schwarze Liste von Lehrern», bestätige ein Mitarbeiter des Erziehungsdepartements. Die neue Direktorin des Departements für Erziehung, Kultur und Sport sei aber «daran interessiert, diese Angelegenheit in Zukunft zu prüfen».

Bis es so weit ist, hätten die Kantone nichts zu befürchten. Stefan Kunfermann, Kommunikationsleiter der EDK, bestätige zwar: «Die Kantone sind zur Meldung von Lehrpersonen, denen die Unterrichtsberechtigung entzogen wurde, verpflichtet.» Bezüglich der Umsetzung habe man «gegenüber den Kantonen aber keine Aufsichtsfunktion oder Aufsichtskompetenz».

(osc)

veröffentlicht: 2. Mai 2023 09:12
aktualisiert: 2. Mai 2023 09:37
Quelle: Today-Zentralredaktion

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