Christbaum im Topf

Ökologische Alternative oder «Greenwashing»?

06.10.2022, 19:39 Uhr
· Online seit 06.12.2021, 08:23 Uhr
Jedes Jahr landen nach Weihnachten Zehntausende Weihnachtsbäume im Müll. Immer mehr Menschen verzichten auf den klassischen, geschnittenen Baum und setzen auf nachhaltigere Alternativen wie einen Tannenbaum im Topf – Geldmacherei oder nachhaltige Variante?
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Rund 1,4 Millionen Weihnachtsbäume stehen jedes Jahr in Schweizer Wohnzimmern. 1,4 Millionen Bäume, die aufwändig aufgezogen wurden, um dann ein paar Wochen als Weihnachtsbaum zu dienen, bevor sie allesamt entsorgt werden. Ganz zu schweigen von den langen Transportwegen, die der Grossteil der Bäume hinter sich hat. Nur etwa 40 bis 45 Prozent stammen aus Schweizer Produktion; der Rest wird aus dem nahen Ausland importiert, vor allem aus Deutschland und Dänemark, wo Monokulturen vorherrschen. Das zeigt ein Bericht des Schweizer Verbands der Waldeigentümer «WaldSchweiz». Kein besonders ökologischer Brauch. Das denken sich auch immer mehr Schweizerinnen und Schweizer und suchen nach nachhaltigen Weihnachtsbaum-Alternativen.

Gibt man in der Google-Suche «ökologischer Weihnachtsbaum» ein, stösst man schnell auf Anbieter, welche die Bäume im Topf zum Verkauf oder zur Miete anbieten. Einige liefern direkt vor die Haustür und holen den Baum nach Weihnachten wieder ab. Zwar nicht ganz günstig, dafür supereinfach, stressfrei und erst noch ökologisch. Oder doch nicht?

Weniger ökologisch als angenommen

Roger Wirz, Stadtförster und Forstbetriebsleiter der Stadt Aarau, steht dem Konzept des Christbaumverleihs kritisch gegenüber. «Für den Baum ist es ein riesiger Schock, wenn er von draussen plötzlich in die Wärme kommt. Die Chancen, dass er das übersteht, ist gering.» Um das zu verhindern, also den Temperaturschock zu umgehen, müssten die Bäume in beheizten Treibhäusern akklimatisiert werden. Aus ökologischer Sicht macht es mehr Sinn, eine regionale, zertifizierte Tanne zu kaufen, findet der Förster.

Der Baumschulgärtner und Gartenbauwissenschaftler Jonas Scheerer ist ähnlicher Meinung, von Weihnachtsbäumen im Topf hält er nichts. «Das ist alles andere als ökologisch, sondern schlicht und einfach Greenwashing.» So gut das Konzept klinge, so unmöglich sei dessen Erfolg, ist Scheerer überzeugt. Würde man die Bäume draussen halten, auf dem Balkon oder im Garten etwa, könne es durchaus funktionieren, aber nicht im Wohnzimmer. Der Preis sei zudem so kalkuliert, dass Ausfälle bereits berücksichtigt seien: «Die meisten Bäume überleben die Temperaturunterschiede zwischen Wohnzimmer und Aufzucht nicht und werden direkt nach dem Retournieren weggeworfen.»

Für Aargauer Weihnachtsbaum-Verkäufer keine Option

Wie stehen Aargauer Weihnachtsbaum-Verkäuferinnen zur Topf-Idee? Für alle angefragten Produzenten ist die Tanne im Topf keine Alternative zum klassischen Schnitt-Baum. Auf der Feldmann-Farm in Fischbach-Göslikon etwa heisst es: «Die Tannen brauchen Platz und sie vertragen die warmen Temperaturen in der Wohnung nicht.» Die Christbaumkultur Keller aus Fahrwangen bestätigt zwar, dass die Nachfrage nach einer Tanne im Topf in den letzten Jahren gestiegen sei, aber: «Für uns ist das keine Alternative, weil die Bäume nicht überleben.» Auch der Christbaumverkauf Bucher aus Oberrüti und der Widmer Hof in Oftringen bieten keine Tannen im Topf an, weil diese keine Chance hätten.

Im Ansatz gut, findet der WWF

Es finden sich aber auch Stimmen, die dem Weihnachtsbaum-Verleih grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Die Umweltorganisation WWF etwa schreibt in einem Blogbeitrag:

«Die Idee ist gut! [...] Die Frage ist allerdings, wie umweltfreundlich die Umsetzung wirklich ist. [...] Sind es heimische Baumarten? Sind die Miet-Weihnachtsbäume FSC-zertifiziert? [...] Und abgesehen vom Transport ist auch für das Wiedereinpflanzen wichtig, dass es keine standortfremden Arten wie zum Beispiel die Nordmanntannen oder Douglasie sind.»

(noë)

veröffentlicht: 6. Dezember 2021 08:23
aktualisiert: 6. Oktober 2022 19:39
Quelle: ArgoviaToday

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