«Nicht alle haben Zeit, Krieg zu spielen» – mit diesem Slogan führte die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) vor rund zehn Jahren ihre Abstimmungskampagne zur Aufhebung der Wehrpflicht. Auch sonst wird die Schweizer Armee oft Ziel von belustigten Kommentaren. Seit in der Ukraine der Krieg ausgebrochen ist, rückt aber der Kernauftrag der Armee, die Landesverteidigung, wieder ins Zentrum der Debatte.
Dankbarkeit aus der Bevölkerung
Ob dadurch das Interesse am Militärdienst gestiegen sei, lässt sich laut Armeesprecher Stefan Hofer nicht mit Zahlen belegen. Eine Statistik dazu existiere zum aktuellen Zeitpunkt nicht. In Gesprächen mit Rekruten zeige sich aber, dass der Militärdienst an Ansehen gewonnen habe. «Wenn unsere Armeeangehörigen am Wochenende im zivilen Umfeld unterwegs sind, stossen sie auf Dankesbezeugungen aus der Bevölkerung. Sie werden angesprochen und man bedankt sich bei ihnen für den Dienst, den sie für unser Land leisten», sagt Stefan Hofer.
Ausserdem ändere sich auch die Haltung der Rekruten selbst zum Armeedienst, so Hofer: «Sie sind sich der Ernsthaftigkeit und des Sinns und Zwecks des Militärdienstes bewusster als vor dem Krieg.»
Motivation gestiegen
Bestätigen kann das auch Tibor Szvircsev Tresch, Militärsoziologe der Militärakademie an der ETH Zürich. «Die Motivation, den Militärdienst zu leisten, hat leicht zugenommen», so Szvircsev Tresch. Das Gleiche gelte für die Leistungsbereitschaft im Militärdienst. So die Resultate einer Umfrage, die im März bei Rekruten durchgeführt wurde. Die entsprechenden Rekruten waren beim Ausbruch des Krieges in der Ukraine im Militärdienst. Verglichen mit einer ähnlichen Umfrage im Sommer 2021 scheint die Akzeptanz fürs Militär gestiegen zu sein, meint Tibor Szvircsev Tresch.
Noch stärker sei der Effekt, wenn man mit den Ergebnissen einer Umfrage von 2013 vergleiche. Damals sei die Motivation für den Militärdienst deutlich tiefer gewesen als jetzt. «Im Sommer 2021 könnte Covid-19 die Motivation gesteigert haben. Das Militär war mehr in den Schlagzeilen und leistete auch aktiv Einsätze.»
Militärdienst könnte beliebt bleiben
Der Krieg in der Ukraine könnte sich nach der Einschätzung von Tibor Szvircsev Tresch auch langfristig auf die Haltung der jungen Schweizerinnen und Schweizer zur Armee im Allgemeinen und zum Militärdienst im Speziellen auswirken. «Unsere These ist, dass Ereignisse, die über einen längeren Zeitraum vorhanden sind und in geografischer Nähe passieren, eine Meinungsänderung und sogar eine Verhaltensänderung bewirken.», so Szvircsev Tresch. Keinen grossen Einfluss hätten hingegen Ereignisse, die schnell vorbei sind. «Nach 9/11 etwa, änderte sich die Einstellung gegenüber dem Militär nur kurzfristig.» Einen grösseren Einfluss auf die Akzeptanz der Armee hatte es laut Szvircsev Tresch, als es in den Jahren 2015 und 2016 in ganz Europa vermehrt zu Terroranschlägen kam, oder als die Krim 2014 durch Russland besetzt wurde. «Der Krieg in der Ukraine könnte länger gehen. Dann könnte er auch einen längerfristigen Einfluss auf die Einstellung gegenüber dem Militärdienst haben.»