Testosteron pur

Vier Männer wollen Bundesrat werden – was ist mit den Frauen los?

· Online seit 04.10.2023, 05:56 Uhr
Für die Nachfolge von Alain Berset hat sich noch keine einzige SP-Politikerin gemeldet. Die Co-Präsidentin der SP Frauen begründet dies mit den höheren Erwartungen gegenüber Frauen. Ein Politanalyst sieht im Vorpreschen der Männer ein Drehbuch.
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Sie heissen Daniel Jositsch, Matthias Aebischer, Beat Jans und Jon Pult. Die vier SP-Parlamentarier haben unterschiedliche Fähigkeiten und Talente. Gemeinsam ist ihnen: Sie alle wollen sich den Sitz von Bundesrat Alain Berset schnappen. Bald stösst ein vierter Mann dazu. Am Mittwoch lanciert SP-Nationalrat Roger Nordmann seine Kandidatur.

Eine Geschlechter-Grenze hat die SP-Bundeshausfraktion bei der Nachfolge von Alain Berset nicht gesetzt. Sie will die Kandidatur für den Bundesrat allen Mitgliedern der SP offen lassen. Dennoch hat bis jetzt weit und breit keine Frau der SP ihre Kandidatur bekannt gegeben.

Dies, obwohl die SP Frauen unlängst noch von einer «Qual der Wahl» fähiger Frauen sprachen. Derzeit im Gespräch sind die SP-Nationalrätinnen Mattea Meyer und Tamara Funiciello sowie die Berner Regierungsrätin Evi Allemann.

«Frauen kandidieren erst, wenn sie zu 100 Prozent infrage kommen»

Warum ist bis jetzt noch keine Frau aus dem Busch gekommen? «Es gibt fähige, erfahrene Frauen, die eine Kandidatur ernsthaft prüfen», sagt Tamara Funiciello, Co-Präsidentin der SP Frauen Schweiz auf Anfrage der Today-Redaktion. Hetzen lassen wollten sich die SP-Frauen aber nicht. «Es dauert noch einen Monat bis zu den Parlamentswahlen.» Sie selbst schaue noch etwas zu und entscheide erst später, ob sie kandidiere oder nicht.

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Kaum waren die Sommerferien vorbei, kündigte Daniel Jositsch seine Kandidatur an. Danach ging es mit seinen drei Konkurrenten Schlag auf Schlag. Dass ihre Geschlechtsgenossinnen nicht vorpreschen, führt Tamara Funiciello aber nicht nur auf den Zeitplan zurück. «Frauen kandidieren immer erst dann, wenn sie sich zu 100 Prozent sicher sind, dass sie für ein Amt infrage kommen», sagt Funiciello. Sie verweist auf Studien, die belegten, dass Männer sich bereits bewarben, wenn sie 20 Prozent eines Anforderungsprofils erfüllten. «Frauen tun dies hingegen erst, wenn sie 80 Prozent erfüllen.»

«Frauen müssen sich immer und immer wieder beweisen»

Dies hängt laut Funiciello stark damit zusammen, dass Frauen aufgrund ihrer Performance und Männer aufgrund ihres Potenzials beurteilt werden. «Frauen müssen sich immer und immer wieder beweisen.» Dazu komme, dass sie in der Schweiz nach wie vor schlechtere Bedingungen hätten, Beruf oder Amt und Familie zu vereinbaren. «Wenn wir nur antreten würden, wenn es gut aussieht für Frauen, würden wir nie antreten», lautet ihr Fazit.

Würde eine weibliche Kandidatin gewählt, gäbe es im Bundesrat eine Frauenmehrheit. Funiciello würde eine solche begrüssen. Eine Frauenmehrheit im Bundesrat gab es zuletzt 2010 mit der Wahl von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Neben ihr amteten damals Doris Leuthard (Mitte), Micheline Calmy-Rey (SP) und Eveline Widmer-Schlumpf (BDP).

Tamara Funiciello: «In 175 Jahren Bundesverfassung hatten wir genau ein Jahr eine Frauenmehrheit.» Bei Bersets Sitz hätten sie nun Chancengleichheit. «Es hat drei Frauen und drei Männer im Bundesrat nach dem Rücktritt von Alain Berset. Wir können die fähigste Person wählen.»

«Niemand getraute sich bislang»

Politanalyst Mark Balsiger interpretiert das Vorpreschen der männlichen Kandidaten anders. «Die Nominationen bei den Männern geschah nach einem Drehbuch», sagt er. Die Absicht der SP sei klar. Sie wolle vor den National- und Ständeratswahlen mit ihren Bundesratskandidaten punkten.

Bei der Nachfolge für Simonetta Sommaruga im Dezember 2022 galt die Basler Ständerätin Eva Herzog bis zuletzt als Favoritin. Am Ende verlor sie gegen Elisabeth Baume-Schneider. Kürzlich verzichtete Herzog auf eine erneute Kandidatur. Nachdem sie abgesagt habe, sei bei den Frauen ein Vakuum entstanden, sagt Balsiger. «Niemand getraute sich bislang, den Hut in den Ring zu werfen.» Aus der welschen Schweiz sei die Zurückhaltung verständlich, weil sie zurzeit mit drei Personen im Bundesrat vertreten sei.

Für Allemann und Fehr gebe es keine Eile

Gute Chancen könnte auch die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr haben, die wegen der anstehenden Regierungsratswahlen im vergangenen Frühling vor der Bundesratswahl absagte. Mark Balsiger: «Für arrivierte Regierungsrätinnen wie Evi Allemann oder Jacqueline Fehr gibt es keine Eile. Sie können ihre Kandidaturen auch kurz nach den eidgenössischen Wahlen noch bekanntmachen.»

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veröffentlicht: 4. Oktober 2023 05:56
aktualisiert: 4. Oktober 2023 05:56
Quelle: Today-Zentralredaktion

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