Junge Tat

Warum sich die SVP schwertut, sich vom Rechtsextremismus zu distanzieren

03.10.2023, 08:09 Uhr
· Online seit 02.10.2023, 16:30 Uhr
Die Winterthurer SVP-Politikerin Maria Wegelin steht in der Kritik, da Mitglieder der rechtsextremen Jungen Tat für sie arbeiten. Auch im Thurgau sind SVP und Junge Tat offensichtlich verbandelt. Ein Experte beobachtet die Situation besorgt.
Céline Stieger

Quelle: SP fordert Rücktritt von SVP-Wegelin / TeleZüri / 29.09.2023

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Wenige Tage ist es her, seit publik wurde, dass Rechtsextreme den Wahlkampf für die Winterthurer SVP-Nationalratskandidatin Maria Wegelin machen. Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Wie der «SonntagsBlick» berichtet, hat der Gründer der rechtsextremen Gruppierung Junge Tat auch die Wahlplakate der Jungen SVP Thurgau entworfen. Ausserdem sei der Rechtsextremist seit AnfangJahr selbst Mitglied der Partei.

Die SVP Winterthur teilte am Sonntag mit, dass sie die Angelegenheit an einem Sonderparteitag besprechen wolle. Wegelin wird bis dahin ihr Parteiamt ruhenlassen. Anders reagiert die Jungpartei auf das jüngste Ereignis. David Trachsel, der Präsident der Jungen SVP Schweiz, weigert sich, sich von der Jungen Tat und deren Inhalte zu distanzieren, wie die Zeitung schreibt.

Gegenüber der Thurgauer Zeitung sagt Marco Bortoluzzi, Parteipräsident der JSVP Thurgau, hingegen, dass sie sich «ganz klar von der Politik der Jungen Tat distanzieren». Zum aktuellen Zeitpunkt stehe auch ein Parteiausschluss des Gründers der Jungen Tat im Raum.

Keine politische Unvereinbarkeit

Distanzieren oder nicht distanzieren? Das war die grosse Frage in beiden der nachgewiesenen Fällen der Zusammenarbeit zwischen SVP und der rechtsextremen Gruppierung Junge Tat. «Die Reaktionsgeschwindigkeit der SVP hat sich verlangsamt», sagt Hans Stutz, Journalist und langjähriger Beobachter der rechtsextremen Szene in der Schweiz. Es daure heute länger, bis sich SVP-Gremien von rechtsextremistischen oder rassistischen Positionen von Parteiexponenten distanzieren.

Das habe seiner Meinung nach damit zu tun, dass sich der Teil der Gesellschaft nach rechts radikalisiert hat und sich «voll im Saft» fühlt, so Stutz. Betreffende Personen sehen in der Zusammenarbeit mit rechtsextremen Gruppierungen keine politische Unvereinbarkeit – zumindest so lang, wie der Druck von aussen nicht zu gross ist. Das zeige sich am Beispiel von SVP-Politikerin Maria Wegelin.

«Die bürgerliche Demokratie ist gefährdet»

Die Verbindungen zwischen der Schweizerischen Volkspartei und rechtsextremen Gruppierungen gibt es laut Stutz seit den 1990er-Jahren. Zudem sei der «politische Diskurs in den letzten Jahren nach rechts gerutscht», so Stutz. Heute sei es möglich, Forderungen zu stellen, die vor zehn Jahren noch einen Skandal ausgelöst hätten. Das stellt gemäss Stutz eine Gefahr besonders für Menschen mit Migrationshintergrund dar.

Denn ein Viertel der Bevölkerung hat keine politischen Rechte. Mit der Einmischung rechtsextremer Gruppierungen sieht Stutz vor allem die Bürgerrechte bedroht, weil der Zugang zu politischen Rechten für Ausländerinnen und Ausländer künftig erschwert werden dürfte. Deswegen sei die bürgerliche Demokratie gefährdet.

Auswirkungen auf Wahlen

Mit Hinblick auf die Wahlen in wenigen Wochen prognostiziert Stutz zwei gegenseitige Tendenzen. «Am rechten bürgerlichen Rand wird es Menschen geben, die die SVP deswegen nicht wählen werden.» Diese Wählerinnen und Wähler würden entweder eine andere bürgerliche Partei wählen oder nicht wählen gehen. Und dann sehe er einen anderen Teil der Bevölkerung, die gerade durch die SVP-Nähe zu rechtsextremen Gruppen wie die Junge Tat mobilisiert würden. Es sei jedoch schwierig, genauere Prognosen zu machen.

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veröffentlicht: 2. Oktober 2023 16:30
aktualisiert: 3. Oktober 2023 08:09
Quelle: FM1Today

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