Unfall am Gotthard

Zwei Lokomotiven der Deutschen Bahn zogen den Unglückszug

· Online seit 20.08.2023, 07:03 Uhr
Die Untersuchung der Unfallursache im Gotthard-Basistunnel läuft auf Hochtouren. Die SBB äusserten sich bislang nicht zum Halter der Lokomotive und Wagen des Unfallzugs. Nun wurde klar: Es handelt sich grösstenteils um eine deutsche Zugkomposition. Wer haftet jetzt für die Schäden?

Quelle: SBB / CH Media Video Unit

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Der Zugunfall im Gotthard-Basis­tunnel verursachte so schwere Schäden, dass die beiden Röhren für Personenzüge voraussichtlich bis Anfang nächsten Jahres geschlossen bleiben. Güterzüge können ab Mitte nächster Woche den unbeschädigten Tunnel wieder befahren. Die Untersuchung über die Unfallursache läuft auf Hochtouren.

Nun konnte die «SonntagsZeitung» den unbeschädigten vorderen Teil des Zugs aufspüren, der bereits aus dem Tunnel geholt wurde. Er steht inzwischen auf einem Durchgangsgleis am Bahnhof Erstfeld UR, nahe dem Gotthard-Nordportal. Damit wurde klar: Der Unglückszug wurde von zwei Lokomotiven der Baureihe 185 der Deutschen Bahn gezogen.

Acht der Wagen stammen aus Deutschland

Von den zehn unbeschädigten Wagen sind acht in Deutschland, einer in der Schweiz und einer in Schweden registriert, wie die «SonntagsZeitung» schrieb. Das heisst, es handelt sich grösstenteils um eine deutsche Zugskomposition.

Beim Unfall sass ein Lokomotivführer der SBB im Führerstand. Das sei üblich, teilte ein Sprecher der SBB mit. Zu den Haltern der Wagen dürften sich die SBB nicht äussern. Angesichts der horrenden Schadenssumme möchten sie wohl Vorverurteilungen vermeiden.

«Detektoren hätten Schlimmeres verhindern können»

Auch die Deutsche Bahn nahm keine Stellung. Die SBB trugen die Verantwortung für den Zug. Für die Wartung der Wagen sind laut «SonntagsZeitung» in der Regel die Halter zuständig. Eine Pflicht für Detektoren von Entgleisungen an Wagen sei bisher auf internationaler Ebene verhindert worden, teilte das Bundesamt für Verkehr dem «SonntagsBlick» mit.

Mit schärferen Vorschriften wäre der Schaden im Gotthardtunnel geringer ausgefallen. «Detektoren können keine Entgleisung verhindern. Aber sie hätten verhindert, dass der Zug noch acht Kilometer weiterfährt und weitere Infrastruktur beschädigt», kritisiert Ingenieurin Irmhild Saabel gegenüber dem SonntagsBlick.

Ex-SBB-Chef Benedikt Weibel will Sensoren im Gotthardtunnel

Saabel ist Mitglied der Geschäftsleitung der Wascosa AG in Luzern, die europaweit Güterwagen vermietet. «Zwei der Wagen des Gotthard-Unfallzuges sind von Wascosa, beide sind mit Entgleisungsdetektoren ausgestattet. Die Wagen sind jedoch aufgrund ihrer Position im Zugverband, also am Anfang oder Ende des Zuges, nicht entgleist und konnten deswegen auch nicht Alarm schlagen», erklärt sie im SonntagsBlick.

Auch der ehemalige SBB-Chef Benedikt Weibel möchte den Gotthardtunnel sicherer machen. Zwar will er nicht jeden Güterwaggon mit einem eigenen Detektor auszustatten, fordert aber: «Wir sollten darüber nachdenken, die Infrastruktur im Tunnel mit neuen Sensoren zu verstärken.» Sensoren im Tunnel könnten auf Abweichungen wie Entgleisungen reagieren – und in der Lok Alarm schlagen.

Aufklärung der Schuldfrage kann Jahre dauern

Herauszufinden, wer genau Schuld trägt an dem Debakel, wird laut Experten Jahre dauern. Und am Ende wohl durch ein Gericht entschieden werden. Gemäss ersten Erkenntnissen geht man davon aus, dass ein Radbruch für die Entgleisung verantwortlich war.

Um eine Firma haftbar zu machen, muss ein klares Fehlverhalten vorliegen und nachgewiesen werden. Kann der Beschuldigte beweisen, dass er Wartung und Service vorschriftsgemäss durchführte, wird ein Schuldspruch schwierig.

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(nib)

veröffentlicht: 20. August 2023 07:03
aktualisiert: 20. August 2023 07:03
Quelle: ZüriToday

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