Am Sonntag hatte auch Vladimir Petkovic die Geduld verloren. Nach der erneuten Enttäuschung und der Heimniederlage gegen Stade Brest forderte der frühere Schweizer Nationaltrainer für sich und sein Team für einmal nicht mehr Ruhe und mehr Zeit ein. Er richtete die Kritik nach innen. «Es ist nötig, dass jeder in den Spiegel schaut und Verantwortung übernimmt», so Petkovic.
Das 1:2 gegen Brest war die Blaupause des bisherigen Saisonverlaufs. Wieder führte Bordeaux, wieder wurde der Sieg (in diesem Falle sogar ein Punktgewinn) unnötig verschenkt. Innerhalb von acht Minuten hatte Brest den Match nach der Pause gekehrt.
In der Woche zuvor reichte es Bordeaux im Auswärtsspiel gegen den Tabellenletzten Metz trotz einer 2:0- und 3:2-Führung nicht zum Sieg. Vor der Länderspielpause verspielte Petkovics Team gegen Nantes und Lorient jeweils einen 1:0-Vorteil. «Sobald der Gegner zu den ersten Chancen kommt, kriegen wir Angst und verlieren das Vertrauen», so Petkovic.
Letztmals 1970/71 so schwach
Die Zwischenbilanz des Tessiners liest sich nach 15 Runden desaströs. Auf Platz 16 klassiert beträgt die Reserve auf den Tabellenletzten Saint-Etienne gerade mal einen Punkt. Zwei Siege nur erreichte Petkovic bislang, die 13 Zähler aus 15 Spielen sind der schlechteste Saisonstart seit 1970/71. Dies alles hat nun auch den neuen Besitzer Gérard Lopez auf den Plan gerufen. «Die Haltung der Mannschaft ist inakzeptabel. Es ist nicht eine Frage der Qualität, sondern eine Frage des Willens, zu leiden und dem Gegner weh zu tun.»
Im Südwesten Frankreichs ist von der Aufbruchstimmung, die Petkovic im Sommer weg vom SFV und hin zu Girondins Bordeaux getragen hat, nicht mehr viel zu spüren. Akut in Gefahr scheint die Position von Petkovic derzeit noch nicht zu sein. Das Saisonziel wurde mit einer Klassierung in der vorderen Tabellenhälfte moderat ausgegeben. Beobachter gehen davon aus, dass Petkovic erst dann in Bedrängnis geraten könnte, wenn Bordeaux auch ausgangs des Winters noch im Abstiegskampf steckt.
Nicht nur sportliche Not
Doch dies ist bloss die sportliche Seite der Situation rund um Girondins Bordeaux. Grösser noch sind die Probleme im finanziellen Bereich. Diese haben sich durch den Besitzerwechsel hin zum spanisch-luxemburgischen Investor Lopez kaum verkleinert. Das Geld bleibt knapp im Klub, der die Lizenz für diese Saison erst auf den letzten Drücker erhalten hat. Das Budget soll bis zum Saisonende gedeckt sein, schrieben französische Medien letzte Woche. Doch bereits soll Lopez wieder auf der Suche nach neuen Investoren sein. «Es droht ein nächster Verkauf», schrieb die regionale Tageszeitung «Sud Ouest».
Dass vor diesem Hintergrund im Januar mit Transfers nachgebessert werden kann, ist höchst zweifelhaft. Die Transfer-Geschäfte unterstehen bei Girondins Bordeaux weiterhin der Kontrolle der entsprechenden Behörde der Ligue 1. Nur wenn Spieler verkauft werden, kann Bordeaux neues Personal verpflichten. Einer steht tatsächlich vor dem Absprung: Mittelfeldspieler Yacine Adli dürfte im Januar zu seinem Besitzer Milan abberufen werden. Er war bis jetzt der beste Akteur im Ensemble von Petkovic.