Drei Tage vor dem Start in sein 22. Wimbledon-Turnier bei den Profis ist auch für den achtfachen Champion vieles nicht wie gewohnt. Vor fast genau 20 Jahren gewann Roger Federer noch als Teenager gegen den grossen Pete Sampras («einer der Matches in meiner Karriere, an die ich mich am besten erinnere»), zwei Jahre später feierte er auf dem «heiligen» Rasen seinen ersten von 20 Grand-Slam-Titeln. Seither kam er immer voller Selbstvertrauen nach England, im festen Wissen: Auf Rasen kommt es für ihn fast immer gut.
Fragen und Privilegien
In diesem Jahr ist aber vieles «völlig anders», wie der 39-jährige Basler feststellt. «Sonst kamen wir mit der ganzen Familie an, richteten das Haus ein und gingen gross einkaufen.» Nun logiert er wie alle anderen Spieler coronabedingt in einem Hotel, Frau und Kinder mussten zuhause bleiben. «Das Leben in der Bubble ist schon anders», erklärt Federer, der wegen seiner langen Pause nach den beiden Knieoperationen im letzten Jahr noch keine Erfahrungen damit sammelte. «Zu Beginn fragst du immer: Darf ich das?» Dann gewöhne man sich aber schnell daran. Und: «Ich fühle mich privilegiert, dass ich hier sein und spielen kann. Auf dem Platz dürfte es sich sehr normal anfühlen, da es ja auch Fans haben wird.»
Auch sportlich ist für Federer aber nicht viel normal. Die Achtelfinal-Niederlage gegen Félix Auger-Aliassime beim Rasenturnier in Halle liess die Alarmglocken läuten - auch beim «Maestro» selber. «Es gibt unterschiedliche Arten zu verlieren», blickt er am Samstag nochmals zurück. Er bemängelt selber seine Einstellung, nachdem er früh im dritten Satz gebreakt wurde. «Das ist nicht der Standard, den ich mir gesetzt habe.» Doch er betont auch: «Positiv ist, dass mir das hier nicht passieren wird. Ich bin richtig ‹pumped up›.»
Frisch und ambitioniert
Nach Halle gönnte sich Federer vier Tage Pause in der Schweiz. «Ich habe das warme Wetter genossen und mit der Familie im See gebadet.» Seit Dienstag ist er nun in London und hat bis Freitag jeden Tag trainiert. «Es lief sehr gut, ich bin total happy», verströmt er Zuversicht. Deshalb plant er, übers Wochenende nicht zu trainieren und nur am Montag nochmals kurz auf den Platz zu gehen. «Ich will völlig frisch ins Turnier steigen.»
Ambitionen hegt er nach wie vor, auch wenn er nicht mehr als Topfavorit ins Turnier steigt, das er als einziges seit 1999 nie verpasst hat (im letzten Jahr fand Wimbledon wegen der Pandemie nicht statt). Das Ziel ist zunächst das Erreichen der zweiten Woche. Ohne seinen Auftaktgegner Adrian Mannarino (ATP 42) unterschätzen zu wollen, sieht Federer die Auslosung positiv. «Es ist ideal, dass wir wissen, was uns erwartet.» Er hat sechsmal gegen den Linkshänder aus Paris gespielt und sechsmal gewonnen.
Ein Startsieg am Dienstag auf einem zumindest zur Hälfte gefüllten Centre Court wäre also ein erster Schritt in die lieb gewonnene Normalität.