Es war ein ziemlich ernüchterndes kurzes Gastspiel von Stan Wawrinka in Paris. Dass der French-Open-Sieger von 2015, Finalist von 2017 und Junioren-Champion von 2003 in der 1. Runde zum vierten Mal im 17. Anlauf ausschied, überraschte bedingt. Aber die Viersatz-Niederlage gegen den ausserhalb der Top 100 klassierten Pariser Corentin Moutet zeigte auf, dass es bei Wawrinka zwei Monate nach dem Comeback noch an einigen Stellen hapert.
«So sieht meine aktuelle Realität aus. Ich wusste schon vor dem Match, dass ich noch viel Arbeit und einige Spiele benötige, um mein Tennis wieder in Gang zu bringen. Es ist nicht so, dass ich schlecht spiele oder es mir nicht gut geht. Aber ich fühle mich noch nicht auf dem Niveau, um Matches wie diese zu gewinnen», sagt Wawrinka.
Aktuell fehlt Wawrinka die Power und Sicherheit seiner besten Tage. Zieht er die Schläge voll durch, macht er viele Fehler, tut er es nicht, beraubt er sich seiner grössten Stärke. Sicht- und hörbar mangelt es ihm auch am Selbstvertrauen.
«Schlechte Erstrunden-Spiele gehören dazu»
Er sei auf dem Platz nervöser als vor der Auszeit, und diese Nervosität komme nicht davon, dass er in Paris gespielt habe. «Sie kommt vom fehlenden Vertrauen», so Wawrinka, der am French Open nur dank dem geschützten Ranking antreten treten durfte und auch nach dem nächsten Update ausserhalb der Top 250 liegen wird.
Die Situation sei nicht neu für ihn, sagt der dreifache Grand-Slam-Sieger. «Ich kenne das. Ich brauchte schon immer viel Zeit, bis alle Puzzleteile in meinem Spiel zusammenpassen. Schlechte Erstrunden-Spiele an Grand-Slam-Turnieren gehören dazu. Durch solche Momente musst du gehen, um wieder nach oben zu kommen.»
Wawrinka braucht also Zeit, und die will er sich geben. «Es geht mir gut, aber ich bin noch nicht so fit, wie ich gerne wäre und spiele nicht das Tennis, das ich mir vorstelle. Zugleich spüre ich, dass es zusehends besser funktioniert», sagt er. Aber wie viel Zeit hat er mit seinen 37 Jahren noch?
«Einige Wochen oder Monate noch, dann ich bin ich wieder da», glaubt Wawrinka. Allerdings spricht das Alter gegen ihn. Zwar verzeichnet die Sportwelt generell einen Trend zu längeren Karrieren und haben nicht nur Roger Federer (40), Cristiano Ronaldo (37) und Zlatan Ibrahimovic (40) die vermeintliche Altersgrenze nach oben geschraubt. Sich als Mitt- und bald Enddreissiger nach langer Verletzungspause noch einmal in die Weltspitze zu hieven, ist jedoch ein äusserst kniffliges Vorhaben.
Luft für Trainings
Nicht nur Stan Wawrinka tut sich seit den zwei Knie- und nun auch zwei Fuss-Operationen schwer. Auch beim knapp vier Jahre älteren Roger Federer mehren sich die Zweifel, ob dem 20-fachen Grand-Slam-Sieger noch einmal so ein Comeback gelingt wie 2017, als er am Australian Open nach einer halbjährigen Verletzungspause sensationell seinen 18. Grand-Slam-Titel errang.
Wawrinka gibt das frühe Aus am French Open Luft für die Trainings und Trainingsmatches, die er sich noch wünscht. Ab Mitte Juni wird er, so sein Plan, auf den Rasen von Queen's und Wimbledon antreten und danach in Bastad und Gstaad wieder auf Sand spielen.
Um Anfang 2023 respektive nach dem neunten absolvierten Turnier, also nach Ablauf seines Status als geschützter Spieler, nicht auf Wildcards angewiesen zu sein an den grösseren Turnieren, wird es für Wawrinka auch darum gehen, Weltranglisten-Punkte zu sammeln. Wobei Wimbledon die Ausnahme darstellt. Stand jetzt werden dort wegen des Ausschlusses der russischen und weissrussischen Spieler keine Punkte vergeben.