Konkret könnte Vertriebenen, die wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine in die EU kommen, ohne langes Asylverfahren unverzüglich vorübergehender Schutz mit bestimmten Mindeststandards gewährt werden.
Die entsprechende Richtlinie ist eine Folge der Kriege in den 1990er Jahren im ehemaligen Jugoslawien. Sie wurde bislang noch nie – auch nicht während der grossen Fluchtbewegung 2015 und 2016 – genutzt. Die Richtlinie soll angewendet werden, wenn es möglicherweise so viele Asylanträge gibt, dass das Standardprozedere zu einer Überlastung der zuständigen Behörden führen könnte.
Bei dem Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag müssten mindestens 15 Länder mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung zustimmen, die Richtlinie zu nutzen. Johansson sprach am Sonntag nach dem Treffen der EU-Innenminister von breiter Unterstützung der EU-Staaten dafür.
Zu den Mindeststandards, die alle EU-Länder garantieren müssen, gehören etwa eine Arbeitserlaubnis für die Vertriebenen sowie Zugang zu Sozialhilfe, medizinischer Versorgung, Bildung für Minderjährige und unter bestimmten Bedingungen auch die Möglichkeit zur Familienzusammenführung. Auch die freiwillige Umverteilung von Flüchtlingen in der EU ist möglich.
Darum habe bislang jedoch noch kein EU-Land gebeten, auch keines direkt an der Grenze zur Ukraine wie Polen oder die Ukraine, sagte Johansson. Die EU müsse sich auf eine riesige Fluchtbewegung aus der Ukraine einstellen. Sie wisse nicht, wie viele Menschen kommen werden, sagte die Schwedin. «Aber ich denke, wir müssen uns auf Millionen vorbereiten.» Bislang seien wegen des russischen Kriegs rund 300'000 Ukrainer in die EU gekommen. Nur wenige hätten jedoch Asyl beantragt oder Schutz in den Unterkünften der Mitgliedstaaten gesucht. Stattdessen seien sie bei Freunden oder Verwandten untergekommen.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) setzt vor allem auf schnelle und unbürokratische Hilfe Deutschlands und der anderen EU-Staaten für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. «Für uns geht es jetzt vor allen Dingen darum, unbürokratische Lösungen zu finden, um die Menschen möglichst schnell in Sicherheit zu bringen.»
Die EU streitet seit Jahren um den richtigen Weg in der Asyl- und Migrationspolitik. Im Kern geht es dabei vor allem um die Frage, ob und wie Schutzsuchende unter den Mitgliedstaaten verteilt werden sollen. Vor allem Länder wie Polen, Ungarn oder Österreich lehnen eine verpflichtende Quote zur Umverteilung der Menschen ab.