Der Aufruf mit dem Titel «Der Journalismus in Afghanistan ist vom Aussterben bedroht» wurde laut RSF von 103 Medienschaffenden verschiedener politischer und ethnischer Herkunft unterzeichnet, darunter 20 Frauen. Die meisten arbeiteten noch in Afghanistan, einige seien im Untergrund und zehn im Exil. Alle wollten aus Angst vor Repressalien gegen Familienmitglieder im Land anonym bleiben.
«Die Taliban haben gezeigt, dass sie keine freie Presse dulden werden, weder in Kabul noch in den Provinzen», erklärte der RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. «Es droht ein Rückfall in die finsteren fünf Jahre der ersten Taliban-Herrschaft.»
Die Journalisten dringen auf konkrete Unterstützung, um afghanischen Redaktionen eine weitere Arbeit zu ermöglichen. Kurzfristig brauche man auch diplomatische, konsularische und finanzielle Hilfe für die Evakuierung gefährdeter Journalisten. Geflüchteten müsse geholfen werden, im Ausland im Journalismus zu arbeiten. Die internationalen Institutionen müssten bei den Verhandlungen mit den Taliban konkrete Zusagen von den neuen Führern Afghanistans einholen.
RSF begrüsste die Zusage des Bundesinnenministeriums, 2600 besonders schutzbedürftigen Personen und ihren Familien Aufnahmezusagen auszustellen. Der Journalistenverband übermittelte dem Auswärtigen Amt nach eigenen Angaben Namenslisten mit mehr als 152 hoch gefährdeten Medienschaffenden. Darunter seien Dutzende Reporterinnen, die als Frau und Journalistin doppelt gefährdet seien.
Afghanistan kommt auch nach der völligen Machtübernahme der Taliban nicht zur Ruhe. Am Samstag wurden bei einem Anschlag auf ein Polizeifahrzeug der Taliban mindestens zwei Menschen getötet und 19 verwundet, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. In einem Schiitenviertel Kabuls wurden zwei Menschen bei der Detonation eines an einem Fahrzeug angebrachten Sprengkörpers verletzt.