«In der polarisierten und komplexen Lage, in der sich das Land befindet, ist es unsere Pflicht, zur Ruhe aufzurufen», sagte Bildungsminister Ricardo Cuenca am Freitag. «Es ist wichtig, dass wir ruhig und geduldig warten, bis das offizielle Ergebnis bekannt gegeben wird.»
Nach der Auszählung aller Stimmen dürfte der Linkskandidat Pedro Castillo die Wahl am vergangenen Sonntag gewonnen haben. Er erhielt 50,17 Prozent der Stimmen, die Rechtspopulistin Keiko Fujimori kam demnach auf 49,82 Prozent. Allerdings hat das Wahlamt noch keinen Kandidaten zum Sieger erklärt, weil noch einige Wahllisten mit Unregelmässigkeiten überprüft werden.
Sowohl Fujimori als auch Castillo haben wegen angeblicher Manipulationen beantragt, die Stimmen aus bestimmten Wahllokalen für ungültig zu erklären. Die Wahlbeobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hingegen erklärten, dass die Wahl ohne grössere Unregelmässigkeiten abgelaufen sei.
Interimspräsident Francisco Sagasti nahm über Mittelsmänner Kontakt zu den beiden Kandidaten auf. Einer dieser Personen war der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa, wie Sagasti auf Twitter bestätigte. «Meine Bitte an beide Lager war: Die Spannung herunterfahren und die offiziellen Ergebnisse abwarten.»
Kandidatin Fujimori warf dem Übergangspräsidenten vor, Partei zu ergreifen. «Präsident Sagasti sollte nicht mein legitimes Recht beschneiden, unsere Stimmen zu verteidigen», schrieb sie auf Twitter. «Er sorgt nicht für Ruhe, ganz im Gegenteil.»
Peru ist tief gespalten - das zeigt auch das extrem knappe Wahlergebnis. Gerade mal knapp 60 000 Stimmen beträgt die Differenz zwischen den beiden Kandidaten. Die Entscheidung über den Wahlsieg dürften jetzt Juristen fällen.
Die Wahl war ein Kräftemessen der politischen Extreme. Fujimori steht für eine neoliberale Wirtschaftspolitik und eine Sicherheitsstrategie der harten Hand. In den vergangenen Jahren war sie wegen Korruptionsvorwürfen allerdings selbst mehrfach in Untersuchungshaft.
Der Dorfschullehrer Castillo von der marxistisch-leninistischen Partei Perú Libre hingegen will im Fall eines Wahlsiegs einen sozialistischen Staat aufbauen, die Medien stärker kontrollieren und das Verfassungsgericht abschaffen.
Die Herausforderungen für den neuen Präsidenten sind enorm: Peru leidet besonders stark unter der Corona-Pandemie. Es gehört zu den Ländern mit der höchsten Sterblichkeitsquote weltweit, zudem brach die Wirtschaft um 12,9 Prozent ein. Im Landesinneren sind ausserdem noch immer Splittergruppen der Guerillaorganisation Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) aktiv. Zwei Wochen vor der Wahl hatten Rebellen bei einem Massaker 16 Menschen getötet.