Das geht aus einem Schreiben der Staatsanwaltschaft an den zuständigen Richter hervor, aus dem am Dienstag Medien übereinstimmend berichteten. Henry wurde demnach zudem in einem weiteren Brief an die Einwanderungsbehörde des Karibikstaates die Ausreise untersagt. Darin heisst es, es gebe schwerwiegende Anschuldigungen gegen Henry wegen Moïses Ermordung. Was ihm genau vorgeworfen wird, war zunächst unklar.
Wenige Stunden nach Bekanntwerden der zwei Briefe des Staatsanwalts Bed-Ford Claude berichteten haitianische Medien von einem Entlassungsschreiben von Henry an Claude, das vom Montag datiert war. Die Entlassung des Staatsanwalts wird darin mit «schwerem administrativem Fehler» begründet und sollte bei Erhalt des Briefes gelten. Bei keinem der Schreiben liess sich zunächst die Echtheit bestätigen.
Der 53 Jahre alte Moïse war in der Nacht zum 7. Juli in seiner Residenz von einer schwer bewaffneten Kommandotruppe überfallen und erschossen worden. Seine Ehefrau Martine wurde dabei angeschossen, überlebte aber. Nach Polizeiangaben führten kolumbianische Söldner den Mord aus. Zu den Hintermännern sollen ein haitianischer Arzt, der in den USA wohnte, und ein Ex-Funktionär des haitianischen Justizministeriums gehören. Es gab zahlreiche Festnahmen, aufgeklärt wurde der Fall bisher nicht.
Vor wenigen Tagen hatten örtliche Medien berichtet, die Ermittler hätten Henry eingeladen, sich zu Telefonaten in der Nacht des Attentats zu äussern, die er mit einem der mutmasslichen Hintermänner geführt haben soll. Henry prangerte am Samstag, ohne die Vorwürfe direkt anzusprechen, auf Twitter Ablenkungsmanöver an, die ihm zufolge Verwirrung stiften und die Justiz behindern sollten.
Moïse hatte Henry keine 36 Stunden vor seinem Tod zum bereits siebten Regierungschef seiner Amtszeit ernannt. Henry und sein Kabinett wurden allerdings nach einem Machtkampf um das Amt erst mehrere Wochen später am 20. Juli vereidigt. Da Haiti seit Anfang 2020 kein beschlussfähiges Parlament hat, konnte der 71 Jahre alte Ex-Innenminister und Neurochirurg nicht verfassungsgemäss im Amt bestätigt werden. Am 26. September waren Präsidenten- und Parlamentswahlen in dem ärmsten Land Amerikas geplant. Medienberichten zufolge werden diese auf den November verschoben.
Einige Ermittler im Fall Moïse haben angegeben, Todesdrohungen erhalten zu haben und sich deshalb versteckt zu halten. Der ursprünglich zuständige Richter trat zudem vor einem Monat zurück - er gab persönliche Gründe an. Örtliche Medien berichteten zuletzt auch über Machtkämpfe in der Regierung - vor allem zwischen Henry und dem Justizminister Rockfeller Vincent.