Welt

Weshalb Iranerinnen ihre Haare abschneiden und Kopftücher verbrennen

Heftige Proteste

Weshalb Iranerinnen ihre Haare abschneiden und Kopftücher verbrennen

21.09.2022, 22:06 Uhr
· Online seit 21.09.2022, 11:37 Uhr
Im Iran kommt es zu massiven Protesten. Menschen wurden festgenommen, verletzt und getötet. Aus Solidarität zur verstorben Mahsa Amini gehen viele Frauen auf die Strasse. Wie heftig die Auseinandersetzungen sind und was genau passiert ist: Erklärt in 5 Punkten.
Anzeige

1. Was passiert gerade im Iran?

Derzeit finden heftige Proteste im Iran statt. Es kommt zu Festnahmen, Strassenschlachten und mehrere Menschen sind getötet oder verletzt worden. Vor dem Gouverneursamt werden Steine geworfen und die Polizei setzt Tränengas ein. In der Bevölkerung breitet sich Wut aus, die Menschen im Iran gehen grosse Risiken ein – protestieren aber trotzdem. Es ist ein Kampf für mehr Freiheiten, ein Protest gegen das Regime, ein Kampf für die Frauen.

Die Demonstrationen brachen am Samstag in Kurdistan aus und weiteten sich am Montag und Dienstag auf mehrere andere Provinzen im Nordwesten des Irans aus.

2. Was ist der Grund dafür?

Auslöser für die massiven Proteste ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Am 13. September verhaftete die Polizei Amini wegen «unislamischer» Kleidung. Sie sollte auf dem Polizeiposten «belehrt» werden. Die junge Frau hatte das Kopftuch nicht regelkonform getragen. Iranische Zeitungen veröffentlichten Bilder, in denen deutlich Haare unter dem Kopftuch der 22-Jährigen zu sehen waren.

Die Familie sagt, Amini sei zu Tode geprügelt worden. Die Polizei behauptet, sie sei an einem Herzanfall gestorben. Was man weiss: Amini wurde vom Polizeirevier ins Krankenhaus transportiert, lag dort drei Tage im Koma und verstarb. Letzten Freitag wurde ihr Tod bestätigt.

3. Wie ist die Rechtslage im Iran?

Nach der Revolution von 1979 wurde das iranische Gesetz eingeführt, gemäss welchem Frauen dazu verpflichtet sind, ihr Haar in der Öffentlichkeit zu bedecken und lange, lockere Kleidung zu tragen, um ihre Figur zu verschleiern. Wer dagegen verstösst, muss mit Geldstrafen, Verhaftung und Rüge rechnen.

Seit Jahrzehnten tut ein Teil der Frauen genau dies. Sie ignorieren die strengen Kleidungsvorschriften, insbesondere in den Metropolen. Sie interpretieren die Kleiderordnung sanft, tragen enge Mäntel und bunte Schals, die viel Haar zeigen. Nun weigern sich immer mehr Frauen, die Vorschriften zu erfüllen. Die Regierung unter Präsident Ebrahim Raisi und konservativen Politikern versucht seit Monaten die islamischen Gesetze strenger durchzusetzen – und wenden dafür auch Gewalt an.

4. Was ist anders zu früheren Protesten?

Es handelt sich um einige der schlimmsten Unruhen im Iran seit den Strassenkämpfen im letzten Jahr wegen Wassermangels. Die iranische Regierung beschuldigt ausländische Agenten und nicht näher bezeichnete Terroristen Gewalt angezettelt zu haben.

Die Polizei hält nach wie vor daran fest, dass sie nichts mit dem Tod von Mahsa Amini zu tun hat. «Wir hoffen, dass wir so etwas nicht wieder miterleben müssen. Es ist gesetzlich nun mal unsere Aufgabe, Frauen an die Kleidervorschriften zu erinnern», heisst es zum Beispiel von der Polizei in Teheran.

Aus Solidarität verbrennen Iranerinnen ihre Kopftücher und schneiden ihre Haare ab und posten Videos und Fotos im Netz. Auch prominente Frauen befinden sich darunter. Auf Twitter wird zunehmend darüber diskutiert, dass es das erste Mal ist, dass iranische Demonstrierende auf diese Weise zurückschlagen. «Etwas hat sich bei den Protesten im Iran grundlegend geändert», so der Tonus.

5. Wie reagiert die Schweizer Politik?

Auch Bundespräsident Cassis zeigt sich besorgt über die Lage im Iran. Im Rahmen der UN-Vollversammlung in New York hat Cassis den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi getroffen. Obwohl es primär um bilaterale Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Iran ging, schrieb Cassis auf Twitter: «Ich habe auch meine Besorgnis über den Tod von Mahsa Amini zum Ausdruck gebracht und mich für die Einhaltung der Menschenrechte eingesetzt.»

veröffentlicht: 21. September 2022 11:37
aktualisiert: 21. September 2022 22:06
Quelle: Today-Zentralredaktion

Anzeige
Anzeige