Der Bund hatte geplant, im Falle einer Strommangellage regionale Zonen während vier Stunden vom Netz zu trennen und dann wieder vier oder acht Stunden mit Strom zu beliefern. Das sei technisch nicht möglich, schreibt der Regierungsrat nun. Versorgungsrelevante Verbraucher wie beispielsweise Altersheime oder Spitäler von einer Abschaltung auszunehmen, sei nicht realisierbar. Ausserdem führe regelmässiges Ein- und Ausschalten bei Kommunikationsinfrastruktur-Einrichtungen zu Systemschäden. Dadurch müssten der öffentliche Verkehr und systemkritische Produktionsbetriebe – unabhängig von der Stromverfügbarkeit – den Betrieb einstellen.
Der Regierungsrat erwartet deshalb, dass der Bund die Massnahme der zyklischen Netzabschaltung überdenkt beziehungsweise überarbeitet. Die notwendigen Energieersparnisse könnten mit anderen Ansätzen, zum Beispiel verstärkten Kontingentierungen, gezielter realisiert werden.
Reservekraftwerk in Birr ist nur für zwei Winter eine Lösung
Wie der Regierungsrat weiter schreibt, sieht er ausserdem das Reservekraftwerk Birr als Lösung für die Mangellage – jedoch nur für die Winter 2022/23 bis 2024/25. Er fordert den Bund auf, rasch und zielgerichtet für die Folgewinter andere Lösungen und Massnahmen zu realisieren. «Die im Freien aufgestellten Turbinen des Reservekraftwerks stellen für die Bevölkerung und Umwelt eine grosse Lärm- und Luftbelastung dar. Deshalb fordert der Kanton Aargau, dass zuerst alle anderen Optionen ausgeschöpft werden, bevor das Reservekraftwerk in Birr zum Einsatz kommt», schreibt das Departement für Bau, Verkehr und Umwelt.
Der Aargau ist mit der in Birr geplanten Anlage Standortkanton des grössten und immissionsträchtigsten Reservekraftwerks der Schweiz. «Der Aargau nimmt damit national seine Verantwortung als Energiekanton wahr und ist auch bereit dazu, in einem gewissen Rahmen die damit verbundenen Lasten zu tragen», betont Regierungsrat Stephan Attiger, Vorsteher des Departements
Prognose für den Aargau hat sich verbessert
Immerhin: Eine vom Bund in Auftrag gegebene System-Adequacy-Studie zeigt, dass es gemäss aktuellen Einschätzungen für das Winterhalbjahr 2022/23 wahrscheinlich nicht zu einer Strommangellage kommen wird. Die empfohlenen Energiesparmassnahmen sowie die getroffenen Vorkehrungen (zum Beispiel die Bereitstellung von Reservekraftwerken) sind aber nach wie vor notwendig, um die stark angespannte Energieversorgung stabilisieren und verbleibende Risikoszenarien meistern zu können, schreibt der Regierungsrat. Dazu gehören zum Beispiel ein ungeplanter, grossflächiger Kernkraftwerkausfall, Produktionsprobleme bei französischen Kernkraftwerken oder Sabotageakte gegen Energieeinrichtungen im Zuge des Ukrainekrieges.
Steigende Energiepreise: Regierungsrat lehnt Ausgleichszahlungen ab
Was jetzt schon deutlich wird: Die steigenden Energiepreise verteuern die Lebenshaltungskosten bei der Bevölkerung und die Produktionskosten bei den Unternehmen. Ausserdem treiben pandemiebedingte Engpässe bei den Lieferketten und ein Fachkräftemangel die Inflation weiter an. Von einer Unterstützung durch finanzielle Direkthilfen hält die Regierung aber nichts. Das würde nur zu einem Schweizer Flickenteppich führen. Die Motion der Grossratsfraktionen von SP, Grüne und FDP, die im letzten September eingereicht worden war, lehnt der Regierungsrat deshalb ab. Gefordert wurde darin, den steigenden Energiepreisen und der Teuerung entgegenzuwirken.
Aber: Laut der Mitteilung will der Kanton mit verschiedenen Regelungen den drohenden Kaufkraftverlusten entgegenwirken. So sieht das Aargauer Steuergesetz einen jährlichen Ausgleich der kalten Progression vor. Zudem wurde im Rahmen der Steuergesetzrevision 2022 der Versicherungsabzug nicht nur erhöht, sondern er wird auch jährlich den Prämienentwicklungen angepasst. Auch in der Sozialhilfe werde die Teuerung jährlich ausgeglichen. Beispielsweise erfolgt eine Anpassung beim Grundbedarf der Lebenshaltungskosten, bei den Wohnnebenkosten, bei den Ergänzungsleistungen sowie auch in der Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen oder Elternschaftsbeihilfen.
(red.)