Windisch

«Menschen verlieren ihr Zuhause, das fördert negatives Denken über Asylsuchende»

27.02.2023, 21:53 Uhr
· Online seit 27.02.2023, 19:58 Uhr
Obwohl sich die Gemeinde vehement wehrt: Der Kanton hat entschieden, in Windisch eine Asylunterkunft für 100 Menschen einzurichten. Für die 49 Menschen, die ihre Wohnungen verlassen müssen, ist das ein Schlag ins Gesicht. Tele M1 konnte mit Bewohner Björn Waltert reden. Er hat Angst, wieder auf der Gasse zu landen.
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Es ist dicke Post, die Björn Waltert letzten Donnerstag erhalten hat: Die Wohnungs-Kündigung lässt die Welt des 32-jährigen Sozialhilfe-Bezügers zusammenbrechen: «Es wirft alte Ängste wieder auf. Ich habe viel Zeit in meinem Leben auf der Strasse verbracht», sagt er gegenüber Tele M1. «Ich habe gedacht, ich habe hier endlich ein eigenes Zuhause gefunden. Ich bin im letzten Jahr drei Mal gezügelt.»

100 Asylsuchende für 49 Mietende

Wieso ihm die Verwaltung die Wohnung in der Liegenschaft im Gebiet Zelglistrasse/Mülligerstrasse gekündigt hat, weiss er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Im Hintergrund hat der Kanton aber die Gemeinde bereits informiert, dass in der Liegenschaft in Windisch künftig 100 Asylsuchende untergebracht werden sollen. Dass dafür die 49 Mietenden - ein grosser Teil davon leben von der Sozialhilfe - auf die Strasse gestellt werden sollen, versteht man bei der Gemeinde nicht. Die Gemeindepräsidentin Heidi Ammon sagt: «Solche Leute in einem solchen Stadium zu platzieren, ist nicht einfach. Für mich ist es, als ob der Kanton sein Problem mit der Platzierung einfach auf die Gemeinde abschiebt. Das ist etwas, was ich nicht sehr schätze.»

«Mietverhältnisse schaffen, ohne Menschen auf die Strasse zu stellen»

Und auch beim Verein Netzwerk Asyl Aargau fehlt das Verständnis für das Vorgehen des Kantons und des Vermieters: So sagt Präsident Rolf Schmid: «Aus unserer Sicht muss der Kanton dort die Hand drauf haben, wo Gebäude leer stehen, die bezugsfertig wären, und die Möglichkeit bestehen würde, einen Anspruch darauf zu erheben. Oder mit der Vermieterschaft zu schauen, dass man Mietverhältnisse schaffen könnte, ohne Menschen auf die Strasse zu stellen.»

«Verstehe Unmut, der in der Gesellschaft auftauchen kann»

Björn Waltert nutzt das alles nichts. Ende September muss er aus seinen liebgewonnen vier Wänden ausziehen. Darüber hinaus sieht er in der Aktion eine Gefahr für die Gesellschaft und deren Akzeptanz für Flüchtlinge: «Auch wenn man nicht rassistisch ist oder nicht gegen Ausländer ist, fördert das trotzdem ein negatives Denken, wenn man sein Zuhause verliert, oder wenn andere Leute ihr Zuhause verlieren. Da verstehe ich den Unmut, der in der Gesellschaft auftauchen kann.»

Er und die anderen Bewohnenden der Liegenschaft hoffen nun, dass der Kanton doch noch einmal über die Bücher geht. Warum man ausgerechnet in einem Gebäude mit sozial schwächer gestellten Menschen Flüchtlinge unterbringen will, dazu hat das Sozialdepartement von Regierungsrat Jean-Pierre Gallati am Montag keine Stellung genommen.

(red.)

veröffentlicht: 27. Februar 2023 19:58
aktualisiert: 27. Februar 2023 21:53
Quelle: ArgoviaToday

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