Manipulation

Recherche zeigt: Politiker «bschisse» auf Wikipedia mit Zensur oder PR

· Online seit 23.12.2021, 07:13 Uhr
Wer recherchiert, landet auf Wikipedia. Doch nicht immer sind die Einträge neutral geschrieben. Oft werden Informationen weissgewaschen, wie eine Recherche zeigt. Auch Politiker aus dem Aargau und Solothurn sind betroffen.
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Wer verfasst die Wikipedia-Artikel von Politikern? Und wie neutral sind die Einträge? Das Recherche-Team von «REFLEKT» hat gemeinsam mit «netzpolitik.org» 253 Einträge der Schweizer National-, Stände- und Bundesräte analysiert. Nicht alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier würden das Grundprinzip der Neutralität respektieren, heisst es in einer Medienmitteilung.

Einige Politiker würden kritische Passagen löschen, andere hätten PR-Berater engagiert, um Eigenwerbung zu verbreiten. Die Wikipedia-Community konnte den politischen Einfluss meistens stoppen, doch einige Politiker und Politikerinnen boxten ihre Botschaften durch oder manipulierten den Text, ohne dabei aufzufallen.

Wikipedia versteht sich als neutrale und werbefreie Enzyklopädie. Obwohl alle reinschreiben dürfen, gehören bestimmte Richtlinien eingehalten. Als problematisch gilt:

  1. Schreiben in eigener Sache – besonders heikel ist bezahltes Schreiben im Auftrag von Dritten.
  2. Arbeitgeber, Kunden und Zugehörige nicht offenzulegen. Wer über sich schreibt, muss dies transparent machen.
  3. Texte müssten neutral geschrieben sein, Themen sollten sachlich dargestellt werden. 

Für Eigenwerbung missbraucht

Genau diese Punkte wurden von einigen Politikern allerdings nicht eingehalten. Beispielsweise bei Mitte-Politikerin Ruth Humbel. Der Eintrag der Aargauer Nationalrätin wurde zu über 40 Prozent von einem User verfasst, der kein Benutzerkonto erstellt hat. Damit ist nicht sichtbar, in wessen Auftrag er oder sie den Eintrag verfasst hat. Eine Anfrage des Recherche-Teams hat Humbel nicht beantwortet. Zugute halten muss man ihr, dass der Eintrag neutral und sachlich verfasst worden ist.

Ganz anders sieht das im Falle des Grünen-Politikers Felix Wettstein aus. Der Solothurner habe sein Wikipedia-Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen, schreibt das Recherche-Team. Fast drei Viertel des Textes wurde von ihm persönlich verfasst. Und das mitten im Wahlkampf und drei Monate vor seiner Wahl in den Nationalrat.

Das Recherche-Team bemängelt, dass auch er kein Konto erstellt hat und somit nicht sichtbar sei, dass er den Text selbst verfasst hat. Er habe versucht, neutral und objektiv zu bleiben. Doch das ist ihm nicht gelungen. «Als er seine politischen Erfolge aufzählte, verstiess er gegen die Richtlinien von Wikipedia», schreibt das Kollektiv. Und: «Noch am gleichen Tag löschte User Lutheraner grosse Teile des Eintrags und kommentierte: «Werbeblock raus».

(kmu/vro)

veröffentlicht: 23. Dezember 2021 07:13
aktualisiert: 23. Dezember 2021 07:13
Quelle: ArgoviaToday

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