12 Schafe in Region gerissen

So verhältst du dich richtig, wenn du einem Wolf begegnest

20.12.2023, 17:59 Uhr
· Online seit 20.12.2023, 15:36 Uhr
Der Wolf, der in den letzten Tagen zwischen Murgenthal, Brittnau, Rothrist und Vordemwald unterwegs war, sorgt für Gesprächsstoff in der Region. Wolfsexperte David Gerke erklärt im Interview, was man bisher über das Tier weiss und wie man sich bei einer Begegnung richtig verhält.

Quelle: Tele M1

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Nachdem ein Wolf unter anderem in der Gemeinde Murgenthal acht Schafe gerissen hat, wird in der Bevölkerung zunehmend die Forderung nach dem Abschuss von Wölfen laut. Im Interview gibt uns David Gerke, Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz, Aufschluss darüber, welche Massnahmen jetzt sinnvoll sind und wie sich Menschen bei einer Begegnung mit einem Wolf verhalten sollten.

David Gerke, was weiss man über den Wolf, der in der Region unterwegs ist?

Bis jetzt ist noch nicht viel bekannt. Wir wissen, dass im angrenzenden Kanton Luzern, also im Raum Willisau und Sursee, bereits im Herbst ein Wolf unterwegs war. Es kann sein, dass es sich um das selbe Tier handelt, das nun im Raum Murgenthal unterwegs ist. Es könnte aber auch ein anderer Wolf sein, im Moment wissen wir eigentlich sehr wenig.

Wahrscheinlich ist es aber ein Jungtier – junge Wölfe verlassen ihr Rudel meist, wenn sie ein- oder zweijährig sind. Sie wandern dann umher auf der Suche nach einem eigenen Revier und einem Artgenossen des anderen Geschlechts. Sie tauchen am häufigsten irgendwo auf, wo man sie gar nicht erwartet. Und weil männliche Tiere meist weiter laufen als weibliche, kann man mit grosser Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass unser Tier hier männlichen Geschlechts ist. Aber auch das kann man nicht mit absoluter Sicherheit sagen.

Wie weit und wie schnell läuft ein Wolf?

Wölfe sind ausgesprochen mobil. Es gibt in Europa kaum eine andere Tierart, die so schnell weite Strecken durchwandert. Ein eindrucksvolles Beispiel ist ein Wolf, der im letzten Jahr im Graubünden mit einem Sender ausgestattet wurde und bis in die Nähe von Budapest in Ungarn wanderte. Wenn wir uns also fragen, ob der in Luzern gesichtete Wolf identisch mit dem Aargauer Wolf ist, dann ist das schwierig zu beantworten – für die Wölfe ist diese Distanz ein Katzensprung. Sie können in einer einzigen Nacht mehrere Dutzend Kilometer zurücklegen. Wenn sie jedoch ein Gebiet für gut befinden, kann es auch sein, dass sie in diesem bleiben.

Gefällt es dem Wolf in unserer Region?

In diesem Gebiet war bisher noch kein Wolf unterwegs, dementsprechend gab es bis jetzt auch keine Herdenschutzmassnahmen. In dieser Region werden aber relativ viele Schafe gehalten. Wölfe sind Opportunisten, die spezialisiert sind auf das Reissen von wildlebenden Paarhufern wie Rothirschen und Rehen.

Schafe und Geissen passen jedoch auch in ihr Beuteschema, vor allem wenn diese ungeschützt sind, sind sie eine attraktive Nahrungsquelle für die Wölfe. Die vielen ungeschützten Schafe könnten also den Wolf durchaus dazu verleiten, in diesem Gebiet zu bleiben. Aus Erfahrungen, die in anderen Regionen der Schweiz gemacht wurden, lässt sich jedoch feststellen, dass die Wölfe auch einfach weiterziehen, wenn der Herdenschutz verstärkt wird und die Schafe nicht mehr so einfach zugänglich sind.

Braucht es jetzt Herdenschutzmassnahmen?

Man muss künftig auch im Mittelland überall mit einzelnen Wölfen rechnen. Darum gibt es langfristig keine Alternative zu einem anständigen Herdenschutz. Im Mittelland hat man dazu gute Voraussetzungen, da es flach ist. Man kommt überall gut hin, kann die Zäune gut aufbauen und hat einen guten Zugang zum Strom. Mit anderen Worten: Hohe elektrische Zäune helfen, Wolfsangriffe zu verhindern.

Was tun, wenn man einem Wolf begegnet?

Weil man relativ selten auf einen Wolf trifft, kann man sich ob einer solchen Begegnung freuen. Von Wölfen geht aber keine Gefahr für den Menschen aus. Bei einer Begegnung auf grösserer Distanz, also über 30 Meter, muss man nichts Spezielles tun oder beachten. Wenn das Tier näher ist, empfiehlt es sich, mit ruhigem Reden das Tier auf sich aufmerksam zu machen. Auf keinen Fall sollte man das Tier anstarren, hektische Bewegungen machen oder panisch wegrennen. Wenn man sich langsam und ruhig entfernt, dann wird auch der Wolf sich wegbewegen.

Übrigens: Jeder, der gelegentlich in den Bergen unterwegs ist, hält sich in Wolfsgebiet auf. Mit Wolfsbegegnungen muss man also sowieso immer rechnen. Es wurden aber noch nie Menschen bedroht oder gar gerissen von einem Wolf in der Schweiz. Wölfe verhalten sich artgerecht, also scheu gegenüber dem Menschen.

Flüchten die Wölfe nun aus den Berggebieten, wo sie gejagt werden, ins Mittelland?

Dass Wölfe im Mittelland auftauchen, ist nicht ganz neu. Es wird aber in Zukunft häufiger vorkommen, da auch der Wolfsbestand zunimmt. Im Moment kann man noch nicht sagen, ob Wölfe aus den Berggebieten flüchten, weil sie dort abgeschossen werden. Aber Wolfsrudel sind Familienverbände. Es ist also durchaus zu erwarten, dass wenn man einige Wölfe eines Rudels erschiesst, die überlebenden Tiere sich dann zerstreuen und neue Gebiete suchen. Um zu überleben, müssen einige dann abwandern und es ist nicht auszuschliessen, dass man sie dann vermehrt im Mittelland antrifft.

Diskussion über Abschuss ist entbrannt. Sieh dir hier im Video die Argumente der Befürworter und Gegner an:

Quelle: Tele M1 / Adrian Remund / ArgoviaToday / Severin Mayer

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veröffentlicht: 20. Dezember 2023 15:36
aktualisiert: 20. Dezember 2023 17:59
Quelle: 32Today

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