Die Badis füllen sich, an jeder Ecke wird grilliert und Glaces werden verschlungen. Es fühlt sich momentan an wie im Hochsommer. Erinnerungen an den Jahrhundertsommer 2003 werden geweckt. Damals lagen die Temperaturen in der Schweiz und in grossen Teilen Mitteleuropas dauerhaft drei bis fünf Grad über dem langjährigen Mittelwert. Einerseits war es ein Märchensommer, andererseits eine Phase mit katastrophalen Folgen für die Gesundheit und die Natur. Wird der Sommer 2022 wieder in die Geschichtsbücher eingehen?
Recht heiss für den Mai
Die aktuellen sommerlichen Wetterbedingungen erleben wir wegen der warmen und trockenen Luftmassen aus dem Südwesten und der starken Sonneneinstrahlung. «Im Normalfall würden die Temperaturen zu dieser Jahreszeit am Nachmittag bei rund 19 Grad im Mittelland und bei etwa 21 Grad im Tessin liegen. Momentan sind die Werte rund sechs bis acht Grad höher», sagt Meteorologe Felix Blumer gegenüber der «Aargauer Zeitung». Im schweizerischen Mittelland gebe es nur alle fünf bis zehn Jahre einen Hitzetag im Mai.
Was braucht es für einen Supersommer?
Im letzten Frühjahr zeigten viele Modelle nach einem trockenen März einen warmen Sommer an – es kam dann bekanntlich anders. Im Jahr 2003 gab es nach einem trockenen und sonnigen Frühling einen Hitzesommer, im Jahr 2019 hingegen folgte auf nasse und durchzogene Frühlingstage ebenfalls ein heisser Sommer, heisst es bei Meteonews. Die Mai-Hitze ist für einen Supersommer also keine Bedingung. «Es ist aktuell nur eine Wetterlage, ob es einen Hitzesommer geben wird, hängt in einem grösseren Muster zusammen», sagt Klaus Marquardt von Meteonews.
Aber wenn die Vegetation und die Böden im Frühjahr schnell und nachhaltig ausgetrocknet werden, dann steigt im Sommer das Risiko von Dürre. So werden Hitzetage noch etwas extremer. Für einen Hitzesommer muss sich laut Blumer der Jetstream weit nach Norden verschieben. Dann sei die Chance gross, dass es lange Zeit trocken und heiss sein werde.
Auch ein Omegahoch sorgt bei uns für lang anhaltendes schönes Wetter. Dafür braucht es eine blockierte Wetterlage über Mitteleuropa, welches die Störungen vom Atlantik fernhält. «Wir haben aktuell kein Omegahoch», sagt Marquard, «das ist rein hypothetisch». Aktuell komme die warme Luft aus Spanien, dort lägen die Temperaturen schon bei 40 Grad.
Das System Wetter ist chaotisch
«Man muss schauen, wie sich das Strömungsmuster entwickelt», so Marquardt. Dies pendle sich erst gegen Ende Juni ein. «Es muss alles zusammenpassen. Im Hitzesommer 2003 war es im Juli auch nicht übertrieben heiss. Aber im Juni und August gab es mehrere Hitzewellen.» Ein Hitzesommer lasse sich nämlich gar nicht per se definieren. «Man spricht dann von einem Hitzesommer, wenn es überdurchschnittlich mehr Hitzetage gibt, das heisst Temperaturen über 30 Grad. Es kommt auf die Dauer und Intensität an, eine fixe Definition gibt es aber nicht.»
Vorhersagen für einen warmen Sommer sind also noch nicht möglich. Nächste Woche lägen die Temperaturen wieder tiefer, laut Marquardt. Der Trend zeigt in Richtung warmer Sommer, aber noch ist etwas Geduld gefragt. Das System Wetter ist und bleibt chaotisch und sorgt immer wieder für Überraschungen.