Rätselraten im Wallis

Das mysteriöse «Verschwinden» eines Gemeindeschreibers – erzählt in 3 Etappen

29.11.2022, 11:12 Uhr
· Online seit 29.11.2022, 10:24 Uhr
Tagelang rätselten Medien über den Aufenthalt des Zermatter Gemeindeschreibers Daniel Anrig. Er sei untergetaucht, die Polizei suche ihn, es fehle jede Spur. Nun ist klar: Der Gemeindeschreiber ist weder verschwunden noch untergetaucht. Er sitzt vielmehr in Zürich in Untersuchungshaft.
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Die Vermisstenmeldung

«Wo ist der Gemeindeschreiber von Zermatt?», rätselten am vergangenen Freitag diverse Schweizer Medien. Daniel Anrig, Jurist, ehemaliger Kommandant der Päpstlichen Schweizergarde, Ex-Chef der Kriminalpolizei sowie Ex-Kommandant der Kantonspolizei Glarus und bis Dezember 2022 eben Gemeindeschreiber von Zermatt, sei nicht mehr zu finden.

Zuerst darüber berichtet hatte der «Walliser Bote». Dieser berief sich auf Romy Biner-Hauser, Gemeindepräsidentin von Zermatt: «Ende Oktober haben wir im gegenseitigen Einvernehmen das Arbeitsverhältnis mit Daniel Anrig aufgelöst. Dies auf Ende Dezember 2022. Daniel Anrig strebt eine berufliche Neuorientierung an.» Der Zeitung zufolge erschien Anrig aber nicht mehr bei der Arbeit, E-Mails und Anrufe bleiben unbeantwortet. Mehr noch: Anrig werde sogar per Polizeipatrouille gesucht. Die Behörden hätten sich Zugang zu seiner Wohnung verschafft, aber auch hier konnten sie niemanden finden.

«Wir haben uns in das Haus des Gemeindeschreibers begeben und niemanden vorgefunden», bestätigte die Kantonspolizei Wallis gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA den «Walliser Boten». Das Kuriose daran: Eine offizielle Vermisstmeldung gab es nicht. Weil es keine beunruhigenden Hinweise gegeben habe, habe die Polizei auf eine Vermisstmeldung verzichtet.

Die Entwarnung

Gleich am nächsten Tag kommt die vermeintliche Entwarnung: Wie der «Blick» berichtet, wusste die Gemeinde Zermatt sehr wohl schon länger Bescheid. Anrig habe sich bei der Gemeinde gemeldet, hiess es in einer Stellungnahme des mit Anrig befreundeten Anwalts Max Imfeld-Frischknecht. «Sie müssen sich keine Sorgen machen. Die Gemeinde ist seit einer Woche informiert, offenbar hat man es absichtlich oder unabsichtlich unterlassen, ‹Entwarnung› zu geben. Die Probleme sind rein privater Natur und tangieren die Gemeinde Zermatt in keinster Weise», zitiert «Blick» das Schreiben des Anwalts.

So gehe es Anrig «den Umständen entsprechend gut». Nähere Angaben zu dem Aufenthaltsort von Anrig machte der Anwalt nicht. Auch die Gemeindepräsidentin von Zermatt machte keine genaueren Angaben. Weder zu Anrig selbst, noch zu der vermeintlichen polizeilichen Suche nach ihm.

Die Auflösung

Ein paar weitere Tage verstreichen. Und mehr und mehr gewinnt die Geschichte an Brisanz. Am Montag meldet sich dann erneut Max Imfeld-Frischknecht zu Wort. Und spricht nun als Anwalt von Anrig. Letzterer befinde sich derzeit in Untersuchungshaft in Zürich. «Er soll jemanden bedroht haben, aber diese Person hatte zuvor ihn bedroht», heisst es am Montagabend auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Es gehe um eine «rein familiäre Auseinandersetzung» ohne «Tätlichkeiten» oder «Verletzungen».

Mit Zermatt hat dies laut Anrigs Anwalt nichts zu tun. Die Gemeindepräsidentin war demnach seit zwei Wochen über die Untersuchungshaft informiert. Die Aussage, er sei «untergetaucht» oder «spurlos verschwunden» sei «bewusste Fehlinformation der Medien» gewesen, so Imfeld-Frischknecht. Die Polizei habe den Gemeindeschreiber ebenfalls nicht suchen müssen. Der ganze Wirbel sei unnötig.

Wieso die Gemeinde Zermatt es bisher unterlassen hatte, offen über den Aufenthalt von Anrig zu kommunizieren und ob es nun zu der polizeilichen Hausdurchsuchung kam oder nicht, bleibt schleierhaft. Auch was Anrig genau vorgeworfen wird, ist unklar. So viel steht fest: Die nächste Wendung im kuriosen Fall Daniel Anrig dürfte nicht allzu lange auf sich warten lassen.

(baz/sda)

veröffentlicht: 29. November 2022 10:24
aktualisiert: 29. November 2022 11:12
Quelle: Today-Zentralredaktion

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