LGBTIQ

«Trans Personen passiert das Gleiche wie Frauen»

· Online seit 18.05.2023, 18:49 Uhr
LGBTIQ-Personen in der Schweiz haben so viele Hate Crimes im letzten Jahr gemeldet wie noch nie zuvor. SP-Nationalrätin Tamara Funiciello sieht noch viel Handlungsbedarf. Täter müssten aufhören, Täter zu sein, fordert sie etwa.
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SP-Nationalrätin Tamara Funiciello setzt sich für die umfassende Gewaltbekämpfung, für Freiheit und Sicherheit in der Gesellschaft und für die Gleichstellung ein. Gegenüber der Today-Redaktion äussert sich Funiciello zum am Mittwoch erschienenen Bericht über die Zunahme der Angriffe und Diskriminierungen auf LGBTIQ-Personen.

Frau Funiciello, was sind Ihre Gedanken zu den neusten Zahlen?

Es sind gemischte Gefühle. Auf der einen Seite machen wir Fortschritte im Bereich der Gleichstellung von LGBTIQ-Menschen, namentlich im Fall der Ehe für alle oder der Personenstandsänderung für trans Personen. Auf der anderen Seite sind wir in der Situation, in der Hate Crimes zunehmen – es ist ein Backlash. Das ist schon bedenklich. Es gibt noch einiges zu tun für die Gleichstellung von LGBTIQ-Menschen. Wenn man das machen möchte, dann muss man ein Klima schaffen in der Gesellschaft. Damit sie bereit ist, diese Schritte zu machen.

Ein Klima schaffen in der Gesellschaft – wie sieht das genau aus? Roman Heggli von Pink Cross hat im Today-Interview am Mittwoch gesagt, Medien und politische Akteure verbreiteten eine queer-feindliche Stimmung. Stimmen Sie dem zu?

Dem stimme ich absolut zu. Es ist schlimm, was über trans Personen und non-binäre Personen gesagt wird. In dem Moment, in dem wir Menschen abwerten, weil sie trans oder non-binär sind, schaffen wir einen Nährboden, auf dem Gewalt wachsen kann. Das müssen wir verhindern. Trans Rechte sind Menschenrechte. Es sind wichtige Menschenrechte, für die wir einstehen müssen. Entweder haben wir eine Gesellschaft, in der alle frei sind. Oder wir haben eine unfreie Gesellschaft.

Gibt es konkrete Massnahmen, die in der Politik umgesetzt werden müssen, damit die Akzeptanz gefördert werden kann?

Es braucht ganz klar einen Diskriminierungsschutz gegen trans Personen. Das gibt es im Moment nicht. Man muss sicher auch viel Aufklärungsarbeit leisten. Es ist wichtig, dass trans Personen sichtbar werden. So sieht man, wer das ist und die gesellschaftliche Akzeptanz kann sich erhöhen. Das sind die wichtigen Massnahmen.

Neben der psychischen und physischen Gewalt, welche die trans Personen erfahren, gibt es noch weitere Schwierigkeiten. Der Zugang zum Gesundheitssystem oder der Zugang zu Opferberatungen wird trans Personen zum Beispiel kaum gewährleistet. Das sind alles Massnahmen, die getroffen werden müssen. Wir müssen das tun, wenn wir wollen, dass wir eine Gesellschaft frei von geschlechterspezifischer Gewalt und Gewalt gegen LGBTIQ-Menschen haben.

Viele Betroffene sind unter 30 Jahre alt, viele machen keine Anzeige bei der Polizei. Warum ist das so?

Trans Personen passiert das Gleiche wie Frauen. Trans Personen werden an einem Polizeiposten gefragt, wieso sie sich so anziehen. Dass viele von Gewalt Betroffene unter 30 Jahre alt sind, zeigt auch, dass das häufig zum Beispiel im Kontext von einem Ausgang passiert. Dort wird die Erwartung an trans Personen gestellt, dass sie sich so anziehen sollen, dass andere Personen sich nicht stören. Das ist höchst problematisch. Wir wollen doch in einer Gesellschaft leben, in der alle anziehen können, was und wie sie wollen. Und dass alle in Sicherheit vom Ausgang nach Hause laufen können, ohne dass sie Angst haben müssen, dass sie Gewalt ausgesetzt werden. Diese Haltung wird in vielen Bereichen des Strafprozesses, nicht nur bei der Polizei, nach wie vor kultiviert.

Gibt es etwas, dass queere Personen selbst unternehmen können, um sich zu schützen?

Wenn wir von Personen – egal ob queer, Frau oder Mann – verlangen, dass sie sich selber schützen, dann sind wir in einer schwierigen Situation. Wir müssen Opfern nicht sagen, dass sie keine Opfer sein sollen und sich so verhalten sollen, dass sie dies vermindern können. Wir müssen von den Tätern verlangen, dass sie aufhören, Täter zu sein.

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veröffentlicht: 18. Mai 2023 18:49
aktualisiert: 18. Mai 2023 18:49
Quelle: ZüriToday

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