Frankreich kommt gegen Marokko zu einem 2:0-Sieg – dabei reicht eine minimalistische Leistung. Die Nordafrikaner kämpfen lange gegen die drohende Niederlage, agieren vor dem Tor aber zu ineffizient.
Keine fünf Minuten waren gespielt, als es zu einer Premiere an der WM in Katar kam: Erstmals schoss ein gegnerischer Spieler ein Tor gegen Marokko. In den fünf vorherigen Partien spielten die Nordafrikaner vier Mal zu Null, ein Mal (2:1 gegen Kanada) gab es ein Eigentor.
Der akrobatische Treffer von Frankreichs Theo Hernandez hatte einen Spielverlauf zur Folge, den wohl nur wenige vorausgesagt hätten. Statt wie bisher die Spielanteile mehrheitlich dem Gegner zu überlassen und sein Glück mit schnellen Angriffen oder Standardsituationen zu suchen, musste Marokko nun mehr Initiative zeigen. So wies das Team zur Pause gut 56 Prozent Ballbesitz auf, im Verlauf der zweiten waren es teils über 70 Prozent.
Aus diesem Plus an Ballbesitz resultierte vorerst nur wenig Torgefahr. Bis auf einen Weitschuss in der 10. Minute musste Hugo Lloris in der ersten Halbzeit kaum eingreifen. Frankreichs Captain bestritt sein 19. WM-Spiel und egalisierte damit die Bestmarke des bisherigen WM-Rekordtorhüters Manuel Neuer. Am Sonntag dürfte er zum alleinigen Rekordhalter aufsteigen.
Marokko fehlt ein Vollstrecker
Die grösste Chance auf den Ausgleich hatte Marokko kurz vor der Pause durch Jawad El Yamiq, der per Fallrückzieher den Pfosten traf. Auch in der zweiten Halbzeit spielte das Team von Trainer Walid Regragui mutig nach vorne, während sich die Franzosen mehrheitlich aufs Verteidigen des knappen Vorsprungs beschränkten. Die davor viel gelobte Offensive um Kylian Mbappé, Olivier Giroud, Antoine Griezmann und Ousmane Dembélé blieb für einmal blass.
Im ersten WM-Halbfinal mit afrikanischer Beteiligung hielt sich der Aussenseiter gut, gewisse Offensivmängel waren dennoch offensichtlich. Oft wurden Bälle im gegnerischen Strafraum vertändelt, es fehlte ein kaltblütiger Vollstrecker.
So kam es, wie es kommen musste. In der 79. Minute umspielte Mbappé mehrere Verteidiger, sein Schuss wurde abgelenkt und verkam so zur mustergültigen Vorlage für Randal Kolo Muani. Der Angreifer von Eintracht Frankfurt, der nach der Verletzung von Leipzigs Christopher Nkunku nachträglich ins Kader aufgeboten worden war, schob aus kurzer Distanz locker ein.
Selbst der Ehrentreffer blieb den leidenschaftlichen Marokkanern verwehrt. In der Nachspielzeit wurde ein abgefälschter Schuss knapp vor der Torlinie abgeblockt.
Dritter Titel für Frankreich oder Argentinien?
Während Marokko am Samstag gegen Kroatien um den dritten Platz spielt (das Gruppenspiel am 23. November endete 0:0), hat Frankreich am Sonntag die Chance, den Titel von 2018 zu verteidigen. Das ist zuletzt dem brasilianischen Nationalteam gelungen, als es 1962 zum zweiten Mal in Folge den Pokal gewann. Seither waren die Weltmeister am Folgeturnier nicht selten früh gescheitert.
Für Frankreich ist es ausserdem die vierte Finalteilnahme seit 1998 (sieben Turniere). Vor 24 Jahren gewannen Les Bleus an der Heim-WM den Titel mit einem 3:0 gegen Brasilien, 2006 unterlagen sie Italien im Penaltyschiessen, vor vier Jahren schlugen sie Kroatien 4:2.
Wie Frankreich hat auch Finalgegner Argentinien bisher zwei Mal den Titel gewonnen (1978 und 1986). Noch erfolgreicher waren nur Brasilien (5 Titel), Deutschland und Italien (je 4).