Die Motion forderte eine Änderung der Kantonsverfassung und des Gemeindegesetzes. Diese sollten so angepasst werden, dass es den Gemeinden ermöglicht wird, niedergelassenen Ausländerinnen und Ausländern (mit «C-Ausweis») das aktive Wahl- und Stimmrecht zu erteilen.
Die Grossrätinnen und Grossräte begründeten ihre Forderung damit, dass gerade in Gemeinden bei Abstimmungen und Wahlen Entscheide gefällt würden, die das Leben aller Einwohnerinnen und Einwohner unmittelbar betreffen würden.
Es gehe darum, dass auch niedergelassene Ausländern in den Gemeinden mitreden könnten. Alle Gemeinden sollten autonom die Möglichkeit erhalten, selbst entscheiden zu können, hiess es. Der Aargau brauche eine gelebte Gemeindeautonomie. Neben der SP, GLP machten sich auch die Grünen für die Motion stark.
SVP und FDP sind dagegen
Gegen die Verfassungsänderung sprachen sich SVP, FDP und EVP aus. Die Mitte meldete sich im Parlament nicht zu Wort; sie lehnte den Vorstoss in der Abstimmung mehrheitlich ab.
Das Stimm- und Wahlrecht dürfte nicht zu einer Folklorenversammlung werden, sagte der Sprecher der SVP-Fraktion. Die Schweiz gehöre den Schweizern. Das geforderte Ausländerstimmrecht sei «ungerecht, undemokratisch und willkürlich», hielt der FDP-Fraktionssprecher fest. Die Gemeinden würden von einem «uferlosen Stimmrecht» keinesfalls profitieren.
Auch der Regierungsrat lehnte die Forderung ab. Man sei nach wie vor überzeugt, «dass zunächst eine Integration der ausländischen Wohnbevölkerung zu erfolgen hat, die ihren Abschluss in der ordentlichen oder erleichterten Einbürgerung findet», hielt der Regierungsrat in seiner schriftlichen Stellungnahme fest.
Das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer war im Aargau in den vergangenen 25 Jahren zweimal ein politisches Thema. Im März 1996 schmetterten die Stimmberechtigen eine entsprechende Volksinitiative ab. Im September 2015 lehnte der Grosse Rat eine Motion für die freiwillige Einführung des Wahlrechts auf kommunaler Ebene mit 88 zu 30 Stimmen ab.
Ausländerstimmrecht in acht Kantonen
Acht Kantone kennen bereits Bestimmungen zum Ausländerstimmrecht. Die Kantone Freiburg, Neuenburg, Jura und Waadt gewähren Ausländern unter unterschiedlichen Bedingungen das Stimmrecht sowie das aktive und passive Wahlrecht in allen Gemeinden, wie es in der Stellungnahme des Regierungsrats heisst.
Das Solothurner Volk entscheidet am 26. September über die Einführung des fakultativen Ausländerstimmrechts auf Gemeindeebene. Das Parlament ist dagegen, der Regierungsrat spricht sich dafür aus.
Im Kanton Genf haben Ausländer in allen Gemeinden das Stimmrecht und das aktive, nicht aber das passive Wahlrecht. Die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Graubünden und Basel-Stadt kennen in der Deutschschweiz ein fakultatives Ausländerstimmrecht: Sie erlauben ihren Gemeinden, das kommunale Ausländerstimmrecht einzuführen. 23 von 125 Gemeinden im Kanton Graubünden sowie drei von 20 Gemeinden im Kanton Appenzell Ausserrhoden machten von dieser Möglichkeit gebraucht.
In sieben Kantonen stimmen das Volk seit 2010 über das Ausländerstimmrecht ab. In den Kantonen Basel-Stadt, Glarus, Luzern, Zürich und Schaffhausen sind Volksinitiativen abgelehnt worden, welche die Einführung des Ausländerstimmrechts auf kantonaler oder kommunaler Ebene zum Ziel hatten.
Im Kanton Waadt sprachen sich die Stimmberechtigten gegen eine Ausdehnung des Stimm- und Wahlrechts auf die kantonale Ebene aus. Einzig im Kanton Jura wurde 2014 die Einführung des passiven Wahlrechts für Gemeindeexekutiven (ausgenommen Gemeindepräsidium) angenommen.