Ein böses Wort zu viel, ein Stoss von William – und Prinz Harry liegt am Boden, verletzt von Scherben eines zerbrochenen Hundenapfs. So zumindest schildert der Royal einem Bericht zufolge in seinen Memoiren den wohl heftigsten bislang bekannten Streit zwischen ihm und dem Mann, der nicht nur sein Bruder, sondern auch britischer Thronfolger ist.
Der «Guardian» und andere britische Medien sicherten sich am Donnerstag bereits Exemplare des eigentlich noch streng geheimen Buchs – und geben einen ersten Einblick in die Abgründe der nahenden royalen Eskalation. Harrys Autobiografie «Spare» (deutsch: «Reserve») soll am 10. Januar erscheinen.
«Er packte mich am Kragen»
«Es ging alles so schnell. Sehr schnell. Er packte mich am Kragen, zerriss meine Kette und warf mich zu Boden», zitiert der «Guardian» Harrys Schilderungen über den Streit vor mehr als drei Jahren. Prinz William soll Harrys Frau Meghan nach dessen Darstellung zuvor als «schwierig» und «unhöflich» beschrieben haben, woraufhin Harry seinem Bruder vorwarf, das Narrativ der britischen Boulevardpresse zu übernehmen.
«Sun» und «Daily Mail» berichteten später über eine Passage, in der Harry erzählt, er und William hätten Charles vor Jahrzehnten inständig gebeten, dessen Partnerin Camilla – heute Königin Camilla – nicht zu heiraten. Der Palast kommentierte all das zunächst nicht.
Die Kokain-Beichte
Ebenso zu Reden gaben Drogen: Einem Bericht zufolge hat Harry nach eigenen Schilderungen im Alter von 17 Jahren Kokain genommen. Auf einem Jagdwochenende sei ihm die Droge angeboten worden, danach habe er noch häufiger gekokst, schrieb der 38-Jährige in seinen Memoiren.
«Es hat nicht sehr viel Spass gemacht oder mich besonders glücklich gemacht, wie das bei anderen der Fall ist, aber ich habe mich anders gefühlt, und das war mein Hauptziel. Etwas zu fühlen. Anders zu sein», schrieb Harry. Er sei ein Teenager gewesen, der gegen das Establishment habe rebellieren wollen – zumindest habe er sich dies selbst so erklärt.
Harry tötete 25 Menschen in Afghanistan
Eine andere Passage bezieht sich auf Harrys Einsatz als Soldat in Afghanistan. Er habe dort 25 Menschen getötet. «Eine der wichtigsten Dinge, die ich in der Armee gelernt habe, ist, dass ich für meine eigenen Handlungen verantwortlich bin. Also meine Zahl: 25», schreibt Harry dem Sender Sky News zufolge in seinen Memoiren in Bezug auf die Zahl der von ihm getöteten Menschen bei seinen Einsätzen in Afghanistan.
«Das war nichts, was mich zufrieden gemacht hat, aber auch nichts, wofür ich mich geschämt habe.» Der Sender beschaffte sich ein Exemplar des noch unveröffentlichten Buches und zitierte wie viele andere britische Medien am Donnerstag daraus.
«Ich hätte es natürlich lieber gehabt, diese Zahl nicht auf meinem Militärzeugnis oder in meinem Kopf zu haben, aber ich hätte auch lieber in einer Welt ohne die Taliban gelebt, in einer Welt ohne Krieg.» Auch als regelmässiger Tagträumer gebe es jedoch Realitäten, die man nicht ändern könne, schreibt der 38-Jährige, der mittlerweile mit seiner Familie in Kalifornien lebt, dem Bericht zufolge weiter.
«Macht meine letzten Jahre nicht zu einem Elend»
Ob das Königshaus seine Devise «Never complain, never explain» (deutsch: «Niemals beschweren, niemals erklären») weiter durchhalten kann, ist fraglich. Sicher scheint, dass Harry in seiner Autobiografie deutlich härter gegen seine Familie austeilen wird als in der Netflix-Dokuserie «Harry & Meghan», die vor Weihnachten erschienen ist. Darin erzählt das Paar seinen Ausstieg aus dem Königshaus nach, geht aber vor allem mit dem britischen Boulevard ins Gericht.
Diesmal dürfte der Familienfrieden, der zumindest nach dem Tod von Queen Elizabeth II. oberflächlich wieder hergestellt schien, in die Brüche gehen. «Zeit mag Wunden heilen, aber es ist schwer vorstellbar, wie sich die Brüder davon erholen und wieder Vertrauen aufbauen sollen, wenn einer von beiden die Kluft sehr öffentlich mit dem Rest der Welt teilen möchte», kommentiert der Sender Sky News.
Dass das schwierige Verhältnis der Brüder auch die Familie belastet, soll in Harrys Buch explizit zur Sprache kommen. Bei einem Treffen nach der Beerdigung von Prinz Philip im Jahr 2021 soll Charles – damals noch Thronfolger – seine Söhne gebeten haben: «Bitte Jungs. Macht meine letzten Jahre nicht zu einem Elend», erinnert sich Harry dem «Guardian» zufolge.
Buch gelangte früher in Handel
Aktuell ist für «Spare» eine Geheimhaltungsoperation im Gange, die mit jener der Harry-Potter-Serie verglichen wurde, aber anscheinend schiefging: Nach Angaben britischer Medien gelangte das Buch des Prinzen in Spanien bereits am Donnerstag versehentlich in den Handel. Der britische Nachrichtensender Sky News berichtete, die Bücher seien am Donnerstag in den Auslagen einer grossen Buchhandelskette in Spanien verfügbar gewesen, «und dann hastig entfernt worden, nachdem der Fehler auffiel». Eine Reaktion des Verlags Penguin Random House auf die Berichte lag zunächst nicht vor.
Noch bevor das Buch seine volle Wucht entfaltet hat, scheint sich der Autor gleichzeitig um Schadensbegrenzung zu bemühen. «Die Tür ist immer offen», sagt Harry in einem Teaser für ein ITV-Interview, das der britische Sender am Sonntag ausstrahlen will. Er hoffe, dass seine Familie bereit sei, sich zusammenzusetzen und über alles zu reden.
Auf die Frage, ob er an der Krönung seines Vaters im Mai teilnehmen wolle, antwortet der 38-Jährige ausweichend: «Bis dahin kann viel passieren.» Im gleichen Interview offenbart Harry jedoch auch, er wünsche sich William und seinen Vater «zurück». Der Ball liege nun aber im Spielfeld des Palastes.
(sda/jaw)