Quelle: CH Media Video Unit / Ramona De Cesaris
«Angesichts der Umstände sind sie in einem akzeptablen Zustand», sagte der Militärarzt Carlos Rincón Arango am Samstag. «Sie haben mehrere leichte Verletzungen und sind unterernährt. Wir machen jetzt eine Reihe pädiatrischer Untersuchungen und bringen sie wieder zu Kräften. Sie werden wohl zwei bis drei Wochen im Krankenhaus bleiben müssen.»
Suchtrupps hatten die Kinder am Freitag nach 40 Tagen im Regenwald im Süden des Landes gefunden. Sie waren am 1. Mai mit einer Propellermaschine vom Typ Cessna 206 im Department Caquetá abgestürzt. Private Kleinflugzeuge sind in der unwegsamen Region oft die einzige Möglichkeit, grössere Strecken zurückzulegen. Bei dem Unglück kamen die Mutter der Kinder, der Pilot und ein indigener Anführer ums Leben. Über einen Monat lang hatten Soldaten und Indigene in dem unwegsamen Gebiet nach den Geschwistern gesucht, bis sie gerettet wurden – und sich die erlösende Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitete.
Dank Maracujas, Mangos und Lebensmittelpäckli überlebt
«Ich habe sie besucht. Sie sind sehr erschöpft, die Armen», sagte der Grossvater Filencio Valencia der Zeitung «El Tiempo» am Samstag, nachdem er seine Enkel im Militärhospital in Bogotá getroffen hatte. «Sie schlafen. Sie sind unterernährt. Sie sind dünn, sehr dünn.» Auch die Grossmutter Fátima Valencia besuchte die Geschwister im Krankenhaus. «Ich weine vor Freude. Die Kinder sind erschöpft, aber ich habe das Fleisch und Blut meiner Tochter zurück.»
Die Kinder – ein Junge und drei Mädchen, das jüngste gerade ein Jahr alt, das älteste immerhin 13 – gehören zu einer indigenen Gemeinschaft. Ihre Kenntnis der Region dürften ihnen geholfen haben, nach dem Absturz im Dschungel zu überleben. Sie ernährten sich offenbar von wilden Maracujas und Mangos sowie Lebensmittelpaketen, die das Militär über dem Dschungel abgeworfen hatte – in der Hoffnung, dass die umherirrenden Kinder sie finden würden.
«Menschen können bis zu 30 Tage überleben, ohne sich ausgewogen zu ernähren», sagte die Ernährungswissenschaftlerin Liliana Dávila dem Fernsehsender RCN. «Wenn die Kinder gut hydriert sind, ist es möglich, eine lange Zeit ohne Nahrung zu überleben. Im Dschungel ist es einfach, Regenwasser aufzufangen.»
Vater muss ebenfalls ins Spital
Auch der Vater der Geschwister im Alter von 13, 9 und 5 Jahren sowie einem Jahr beteiligte sich an der Suche. Nachdem die Kinder gefunden wurden, begleitete er sie in das Militärhospital in Bogotá. «Ich bin auch aufgenommen worden. Ich bin krank», sagte Manuel Ranoque. «Ich habe hohes Fieber. Ich habe 40 Tage darum gekämpft, meine Kinder wiederzufinden.»
Auf dem Flug nach Bogotá bat er den General der Spezialeinsatzkräfte, Pedro Sánchez, Pate seiner jüngsten Tochter zu werden. «Es ist mir eine Ehre», habe er geantwortet, erzählte der Offizier im Fernsehsender Caracol. «Ich bin nach Hause gegangen und habe meiner Frau gesagt: Wir werden eine Tochter haben. Auch wenn sie einen anderen Nachnamen trägt, es ist egal. Es geht darum, was man im Herzen, in der Seele fühlt.»
Suchhund Wilson weiterhin verschollen
Auch der kolumbianische Präsident Gustavo Petro besuchte die Kinder im Krankenhaus. Auf Fotos war zu sehen, wie er am Bett der Geschwister stand und sich bei den Pflegekräften bedankte. «Heute haben wir einen magischen Tag erlebt», sagte er am Freitag nach seiner Rückkehr aus Kuba. Dort hatte er einen Waffenstillstand mit der linken Guerillaorganisation ELN bekanntgegeben, direkt nach der Landung erfuhr Petro dann von der Rettung der Kinder. «Sie waren allein, aber sie haben ein Beispiel des Überlebens gesetzt, das in die Geschichte eingehen wird. So sind diese Kinder heute die Kinder des Friedens, die Kinder Kolumbiens.»
Ein an dem Sucheinsatz beteiligter Hund ist indes verschollen. Der belgische Schäferhund namens Wilson war den Streitkräften zufolge nicht von einer Suche im dichten Regenwald zurückgekehrt. «Wir lassen niemals einen Kameraden auf dem Schlachtfeld zurück», sagte der Kommandeur der Streitkräfte, General Helder Fernan Giraldo Bonilla. «Wir suchen weiter nach unserem Hund Wilson, der sich in seinem Eifer, die Kinder zu finden, von den Truppen entfernt und verlaufen hat.»
Die Kinder waren Medienberichten zufolge mit ihrer Mutter auf dem Weg zu ihrem Vater gewesen, der wegen ständiger Bedrohungen durch eine Splittergruppe der Guerillaorganisation Farc aus der Region geflohen war. Zwar hat sich nach dem Friedensabkommen 2016 die Sicherheitslage zwischen der Regierung und der Farc verbessert, allerdings werden noch immer Teile des südamerikanischen Landes von illegalen Gruppen kontrolliert. Vor allem Indigene, soziale Aktivisten und Umweltschützer geraten immer wieder in das Visier der kriminellen Banden.
(sda)