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Urbane Gärtner züchten in Wien Friedhof-Früchtchen

Tomaten und Tote

Urbane Gärtner züchten in Wien Friedhof-Früchtchen

· Online seit 15.08.2022, 14:06 Uhr
Ob Chili, Kartoffeln oder Kohlrabi – auf dem Matzleinsdorfer Friedhof wird nicht nur getrauert, sondern auch gepflückt. Damit verlassene Gräber nicht verkommen, hat sich der Friedhofs-Leiter Walter Pois etwas einfallen lassen, um Leben und Tod noch besser zu vereinen.
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«Essen die Leut' die Paradeiser?» Eine 86-Jährige ist skeptisch, ob die vielen Tomaten, die auf einem Grab des Matzleinsdorfer Friedhofs in Wien wachsen, wirklich appetitlich sind. Friedhofsverwalter Walter Pois beruhigt sie. Mindestens ein Meter Erdreich liege zwischen dem Obst und dem Sarg oder was von ihm übrig sei.

Ein Garten für alle

Pois hat sich etwas einfallen lassen, um zumindest einige der 1500 nicht mehr von Angehörigen betreuten Gräber nutzen zu lassen. Die rund zweieinhalb Quadratmeter einer Grabfläche vermietet der Evangelische Friedhof für 75 Euro im Jahr an alle, die sich beim Urban Gardening nicht an der Nähe zu Toten stören.

Angefangen habe er damit schon vor ein paar Jahren, sagt der 51 Jahre alte gelernte Gärtnermeister. Zunächst hätten Mitarbeitende die Chance ergriffen, nebenbei Kartoffeln, Zwiebeln, Kohlrabi oder eben Tomaten anzupflanzen. Inzwischen ähneln 20 Gräber einem Mini-Gemüsegarten. «Die Nachfrage steigt», sagt Pois. Schön findet er es, wenn nicht nur zu Erntezwecken angebaut wird, sondern auch Blumen die Fläche schmücken. So ist eine der Grabstellen ein gänzlich gemüsefreies Blumen-Meer.

Ich bin auch eine Bibliothek

Der Friedhof mit 8600 Gräbern - auf ihm ruhen unter anderem der deutsche Lyriker Friedrich Hebbel und die Schauspielerin Adele Sandrock - ist einer der kleinsten der österreichischen Hauptstadt.

In Sachen Innovation wolle er aber führend sein, so Pois. In diesem Jahr wurden fünf Grabsteine zu öffentlichen Bücherstellen umgestaltet, drei weitere sollen folgen. Das heisst, bei den Grabsteinen sind Nischen im Gestein, wo man Bücher bereit stellen kann, oder sich eben welche ausleihen. Die ausleihbare Literatur soll zum Verweilen einladen und auch den Sinn eines Friedhofbesuchs erweitern. «Der Friedhof soll nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch der Ruhe und Erholung sein», sagt Pois.

(sda/roa)

veröffentlicht: 15. August 2022 14:06
aktualisiert: 15. August 2022 14:06
Quelle: Today-Zentralredaktion

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