Warum wird aktuell im Sudan gekämpft?
An verschiedenen Orten im Sudan findet seit dem vergangenen Samstag ein offener Machtkampf zwischen der paramilitärischen Gruppierung «Rapid Support Forces» (RSF) und der Armee statt. Konkret geht es um die Frage, wie die RSF in die offiziellen Streitkräfte des ostafrikanischen Landes integriert werden sollen. Seit einem Putsch im November 2021 verhandeln die beiden Gruppen unter internationaler Vermittlung mit den demokratischen Kräften des Landes über eine Übergangsregierung. Sie sollte dem Sudan den Weg in eine demokratische Zukunft ebnen. Im Rahmen des Prozesses sollten die etwa 100'000 Mann starken RSF in die reguläre Armee integriert werden.
Wie schwer sind die Kämpfe?
Sowohl die Armee als auch die RSF verfügen über Zehntausende von Soldaten und Basen im ganzen Land. Vor allem in der Hauptstadt Khartum ringen beide Seiten um die Kontrolle von Regierungsgebäuden, Flughäfen und TV-Sendern. Dabei kommen auch schwere Waffen wie Artillerie, Panzer und Kampfflugzeuge zum Einsatz. Viele der Gefechte finden in Wohngebieten statt. Die Gewalt hat nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 185 Todesopfer und 1800 Verletzte gefordert. Die wachsende Zahl der Opfer bringt die medizinische Versorgung des Landes an den Anschlag.
Wer sind die Konfliktparteien?
Die Gewalt im Sudan ist das Resultat eines Konflikts zwischen den zwei mächtigsten Männern im Land: dem General Abdelfatah Burhan und dem RSF-Führer Mohammed Hamdan Daglo. Beide stehen einem Rat vor, der eigentlich eine Übergangsregierung sein sollte. Bei den RSF handelt es sich um eine paramilitärische Einheit. Sie wurde 2013 unter dem damaligen Diktator Omar al-Bashir gegründet. Damals hatte sie den Zweck, eine Rebellion in Darfur zu bekämpfen und als Gegenkraft zur Armee zu wirken. Im April 2019 gelang trotzdem ein Putsch gegen Bashir. Das Militär übernahm gemeinsam mit den RSF die Macht im Land. Statt den Sudan auf den Weg zur Demokratie zu führen, waren die Militärs seither bestrebt, die eigene Machtposition zu bewahren.
Wie ist die internationale Reaktion?
Zahlreiche Regierungen und internationale Akteure haben die Gewalt scharf verurteilt. Die Afrikanische und die Europäische Union fordern eine sofortige Waffenruhe. Uno-Generalsekretär António Guterres verlangte ein sofortiges Ende der Kämpfe und rief die Gegner zum Dialog auf. Die G7-Staaten verlangten von den Konfliktparteien ein sofortiges und bedingungsloses Ende der Kämpfe. US-Aussenminister Antony Blinken sprach sowohl mit Al-Burhan als auch mit Daglo. Blinken habe an die Verantwortung der beiden Generäle appelliert, die Sicherheit und das Wohlergehen der Zivilisten, des diplomatischen Personals und der humanitären Helfer zu gewährleisten.
Welche Rolle spielt die aktuelle Weltlage?
Zu den wichtigsten Unterstützern von RSF-Chef Daglo gehört neben den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien auch Russland. Daglo soll gute Beziehungen zum Kreml pflegen. Der Milizenführer war bereits mehrfach für politische Besuche in Moskau zu Gast. Auch zu Beginn des russischen Angriffs gegen die Ukraine reiste er nach Russland – wenig später verteidigte er die Invasion in einem Statement. Ein Problem ist der zunehmende Einfluss Russlands im Sudan für Ägypten. Anfang März wurde berichtet, dass sich das Nachbarland kritisch zum Aufbau einer Marinebasis für russische Kriegsschiffe geäussert hatte.
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Was bedeutet der Konflikt für das Land?
2019 stürzten Daglo und Al-Burhan noch gemeinsam nach zivilen Protesten Langzeitdiktator Omar al-Bashir. Im Zuge des Übergangs zu einer zivilen Regierung sollten die RSF in das Militär eingegliedert werden, was zum Konflikt führte. Die Leidtragenden des Gewaltausbruchs sind die 46 Millionen Sudanesen, von denen viele bereits bald fünf Jahre für eine demokratische Regierung kämpfen. Grosse Versprechen für eine Rückkehr zur Demokratie wurden gemacht, doch den Worten folgten wenige Taten. Das Militär riss die Macht an sich, mit nur minimaler Beteiligung der Zivilgesellschaft. Nach einem erneuten Militärputsch 2021 übernahm Al-Burhan die Macht komplett. Seitdem machte der geplante Demokratisierungsprozess kaum Fortschritte.
Wie könnte es jetzt weitergehen?
Nach drei Tagen heftiger Gefechte ist unklar, in welche Richtung sich die Ereignisse entwickeln könnten. Aktuell scheint die Armee im Norden und Osten des Landes die Oberhand zu haben, während die RSF die Region West-Darfur stärker kontrollieren. Noch handelt es sich um eine Auseinandersetzung zwischen zwei Konfliktparteien, beide buhlen aber um die Gunst weiterer politischer Akteure im Land. Die Gefahr eines lang andauernden Bürgerkriegs besteht. Beide Gruppen haben öffentlich erklärt, den gesamten Sudan kontrollieren zu wollen, und keine scheint bereit zu sein, einen Rückzieher zu machen. Dabei geht es nicht nur um politischen Einfluss, sondern auch um Sudans Reichtum an Bodenschätzen, vor allem Öl und Gold.
(mit Material der sda)