Im Mai dieses Jahres konnte die Gemeinde Birrhard eine 3,5-Zimmerwohnung an einer Nebenstrasse mieten. Dort sollte Mitte August eine siebenköpfige Flüchtlingsfamilie aus dem Irak einziehen. Diese beschwerte sich allerdings, da die Wohnung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht erreichbar sei und ausserdem zu wenig Schlafzimmer habe.
Die Familie wohnte bis zu diesem Zeitpunkt in Aarau in einer kantonalen Unterkunft. Der Kanton gab allerdings mit dem Umzug der Familie die Verantwortung an die Gemeinde Birrhard ab. Laut Gaudenz Lüchinger, Vizeammann der Gemeinde, hat der Kanton keine Angaben zu der Flüchtlingsfamilie weitergegeben. Trotzdem muss sich Birrhard jetzt um die Unterbringung und Schule der Familie kümmern.
Quelle: ArgoviaToday / Michelle Brunner
«Wir waren überfordert mit der Situation», so Lüchinger. «Wir wussten nicht, auf welchem Bildungsstand die Kinder waren. Die Eltern sind Analphabeten.» Die Gemeinde hat keinen eigenen professionellen Sozialdienst. Der Vizeammann muss sich also selbst um die Asylbewerbenden kümmern. Gaudenz Lüchinger äusserte im TalkTäglich, dass er sich vom Kanton im Stich gelassen fühle: «Vom Kanton war niemand bei uns. Das Einzige, was gemacht wurde, ist, dass das Gepäck mit dem Bus transportiert wurde.»
Gebiet ist nach wie vor Neuland
Auf Anfrage von ArgoviaToday sagt Lüchinger nun, dass der Kanton die Dokumente am Dienstagnachmittag zugesandt hatte. Einige Details zu der Familie seien der Gemeinde nun bekannt. Trotzdem wüssten sie noch nicht, weshalb die Familie geflüchtet sei und welchen Bildungsstand die Kinder haben.
Mittlerweile wurde die jüngste Tochter in der Primarschule der Gemeinde untergebracht. Das zweitjüngste Kind besuche schon bald die Integrationsschule in Windisch, so Lüchinger. Aktuell steht der Vizeammann von Birrhard mit den umliegenden Gemeinden in Kontakt. Für ihn sei dieses Gebiet nach wie vor Neuland.
Sozialdienst hatte an diesem Tag viel zu tun
Beim Kantonalen Sozialdienst (KSD) betont man, dass dieser jederzeit beratend zur Verfügung stehe. Ein Mitarbeiter sei am Nachmittag, als der Einzug hätte stattfinden sollen, vor Ort gewesen. Das Dossier der Familie erhalte die Gemeinde mit dem Zuzug. Informationen des Staatssekretariats für Migration seien darin aber nicht enthalten, folglich lägen sie auch dem Kantonalen Sozialdienst nicht vor.
Dass die Familie dennoch allein nach Birrhard fahren musste, liege daran, dass an diesem Tag viel los war: «Die Einquartierung und Vorbereitung der Wohnung ist grundsätzlich Aufgabe der Gemeinde. Aufgrund des Umstands, dass gleichentags mehrere Transfers anstanden, musste die Familie unbegleitet mit dem ÖV anreisen. Grundsätzlich erachtet der KSD dieses Vorgehen als zumutbar, wenn auch nicht immer optimal», heisst es auf Anfrage.
Keine verbindlichen Unterbringungsstandards im Aargau
In der Regel würden Verlegungen sehr gut funktionieren, «wobei sie für die Geflüchteten durchaus mit Emotionen verbunden sind und sie sich auf eine neue Situation einstellen müssen». Sollte es dennoch zu Diskussionen kommen, suchten die Gemeinden mit Unterstützung des KSD das Gespräch. In der Regel finde man dabei eine Lösung. «Grundsätzlich erwartet der KSD, dass Geflüchtete, sofern sie nicht freie Wohnsitzwahl haben, die ihnen zugewiesenen Unterkünfte beziehen.»
Verbindliche Unterbringungsstandards gebe es im Aargau nicht. Der Kantonale Sozialdienst nehme, wenn möglich, Rücksicht auf das Angebot, je knapper jedoch der verfügbare Wohnraum sei, desto schwieriger sei die Zuweisung. «Der KSD sucht auch unter den aktuellen herausfordernden Umständen mit hohen Zuweisungen von Geflüchteten durch den Bund und wenig freien Plätzen gute und verträgliche Lösungen für alle Beteiligten. Das gilt auch für den aktuellen Fall.»