Vorgesetzte freigesprochen

«Bin kein Einzelfall»: Kollabierter Rekrut spricht von strukturellen Problemen

27.11.2023, 21:57 Uhr
· Online seit 27.11.2023, 20:36 Uhr
An einem sehr heissen Tag vor sechs Jahren mussten Rekruten in Aarau einen 15 Kilometer langen Marsch absolvieren. Einer von ihnen brach in Erlinsbach zusammen – und wachte erst vier Tage später auf der Intensivstation wieder auf. Anfang November diesen Jahres wurden drei Vorgesetzte der Armee vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Der betroffene Rekrut spricht nun von strukturellen Problemen.

Quelle: Tele M1

Anzeige

Er kam nur knapp mit dem Leben davon. Die Rede ist von jenem Rekrut, der im Sommer vor sechs Jahren bei einem Marsch in der Rekrutenschule kollabierte und erst Tage danach wieder aufwachte. Trotz diesen Umständen wurden drei Vorgesetzte Anfang November diesen Jahres vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung vom Militärgericht freigesprochen.

«Es ging wirklich nicht mehr»

Zum Freispruch will sich der heute 26-jährige zwar nicht äussern. Gegenüber Tele M1 erzählt er aber, wie es zu seinem Zusammenbruch kam. «Ich war sehr am schwanken, hatte einen Tunnelblick. Dann habe ich eben auch gesagt ‹Es geht nicht mehr›. Man hat mich dann halt – sozusagen – weiter motiviert und irgendwann ging es dann wirklich halt einfach nicht mehr», erzählt der Betroffene. Danach sei er zusammengeklappt.

Passiert ist dieser Vorfall mit Folgen vor sechs Jahren in Erlinsbach. Bei 33 Grad mussten die Rekruten damals einen 15 Kilometer langen Marsch absolvieren. Für den eigentlich sehr sportlichen Bündner wurde dies zu viel – er kollabierte.

Folgen von Hitzeschlag werden laut Arzt unterschätzt

Das ein Hitzeschlag einen Rekruten ins Koma befördern kann, überrascht Rainer Klöti, Facharzt für Rheumatologie und Schmerztherapie, nicht. «Dieser Rekrut ist fast gestorben, weil er nach einem Hitzeschlag ein Multi-Organversagen entwickelte. Ein solches entsteht, wenn durch die Hitze im Körper Zellen absterben und wie manchmal auch bei Vergiftungen, alle Systeme kaputt gehen», erklärt Klöti. «Er hatte wirklich Glück, dass er das überlebt hat.»

Für den Rekruten selbst war die Botschaft, dass er vier Tage lang im Koma lag, ein Schock. «Es war ein krasser Moment. Ich hätte auch einfach nicht mehr aufwachen können», so der 26-Jährige gegenüber Tele M1. Seine Kameraden dachten zwei Tage lang, er sei tot. Einige hörten auf oder wechselten ihre Position im Militär.

Rekrut erhofft sich Veränderung für die Zukunft

Nach dem Vorfall vor sechs Jahren brauchte der Bündner mehrere Monate, um sich gesundheitlich von seinem Kollaps zu erholen. Erst im September diesen Jahres kam in St. Gallen ein Rekrut bei einem Marsch im Militär ums Leben. Wegen solchen Vorfällen hofft der Rekrut, dass die Kommandanten die Anliegen künftig ernster nehmen. «Wir sind alle dort im Militär so halbfreiwillig. Und wenn man dann sagt es geht nicht, dann muss man das halt vielleicht auch ernst nehmen. Das ist mein grösstes Anliegen. Denn ich finde es einfach irgendwie schlimm, das so etwas passieren kann», gibt der 26-Jährige zu bedenken. Er hofft, dass sich in Zukunft etwas ändert. Das Urteil wurde an die nächste Instanz weitergezogen.

(umt)

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

veröffentlicht: 27. November 2023 20:36
aktualisiert: 27. November 2023 21:57
Quelle: ArgoviaToday

Anzeige
Anzeige
argoviatoday@chmedia.ch