Energiekrise

Dank Notrecht geht es plötzlich schnell

· Online seit 30.09.2022, 05:45 Uhr
Unter dem Druck der drohenden Energiekrise sollen in der Schweiz im Eiltempo neue Kraftwerke entstehen. Der Bund hat zu diesem Zweck diverse Verordnungen ausser Kraft gesetzt. Auch im Energiekanton Aargau dürfte sich damit einiges verändern – und das stösst zunehmend auf Widerstand.
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Notkraftwerk, Wasserreserve, Solar-Offensive, beschleunigte Bewilligungsverfahren: Beim Strom sind in der Schweiz derzeit etliche Projekte gleichzeitig am Laufen. Wegen der drohenden Stromlücke geht es jetzt plötzlich schnell, und auch chancenlose Projekte können jetzt plötzlich umgesetzt werden.

Vollgas in Birr

Das wohl bekannteste Beispiel im Aargau ist das Notkraftwerk in Birr. In diesen Tagen hat der Bau auf dem Firmengelände von GE begonnen. Die acht mobilen Turbinen, die mit Gas, Öl oder Wasserstoff betrieben werden können, sollen ab Februar 2023 einsatzbereit sein. Sie haben eine Leistung von rund 250 Megawatt. Das entspricht etwa einem Viertel der Leistung des AKW Leibstadt.

Anwohnerinnen und Anwohnern stinkt's

Was wie eine gute Nachricht für Schweizerinnen und Schweizer klingt, stösst bei Anwohnerinnen und Anwohnern in Birr sowie bei Klimastreikenden zunehmend auf Widerstand. Die Umweltbelastung sei zu hoch, genauso die Belastung für die Anwohnerinnen und Anwohner. So plant der Klimastreik eine Demonstration in Birr am 8. Oktober. Kritische Stimmen von Anwohnerinnen und Anwohnern wurden an einer Informationsveranstaltung des Bundes in Birr laut. Es wurde etwa kritisiert, dass die Luft in Birr dann stinke. Ausserdem wird der Lärm der Turbinen wohl im ganzen Dorf hörbar sein.

Und auch die Umweltschädlichkeit des Notkraftwerks wird kritisiert. Laut Berechnungen des Klimastreiks emittieren die acht Öl- und Gaskraftwerke pro Tag über 1600 Tonnen CO2 – das entspricht den Emissionen von über 11,5 Millionen Kilometern Autofahrt mit einem Neuwagen. Offizielle Berechnungen dazu gibt es nicht.

Diese Emissionen seien mitunter für die Bevölkerung von Birr auch gesundheitsschädlich, lässt sich Lena Bühler vom Klimastreik in einer Mitteilung zitieren: «Bei der Verbrennung von Öl werden verschiedene für Kinder und ältere Menschen höchst gesundheitsschädliche Schadstoffe emittiert. Ohne exakte Informationen über die gesundheitlichen Folgen wird hier das schmutzigste Kraftwerk der Schweiz gebaut.» Dies sei insbesondere wichtig, weil sich gleich neben dem Kraftwerk in Birr mehrere Landwirtschaftsbetriebe und eine Schule befänden.

Bisher keine Einsprachen

Die meisten Anwohnerinnen und Anwohner akzeptieren das Kraftwerk jedoch als Notlösung. An der Informationsveranstaltung des Bundes vom 20. September wurden die Information generell ruhig aufgenommen. Laut Bund ist es noch unklar, wie gross die Emissionen von CO2 und der Lärm sein werden. Auch unklar sei, ob und wie lange die Turbinen überhaupt laufen müssen.

Trotz den bereits begonnenen Bauarbeiten sind ausserdem Einsprachen gegen die Verfügung und die damit verbundene Baubewilligung möglich, allerdings beträgt die Frist dafür nur fünf Tage, und allen Einsprachen wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Bis jetzt sind beim Bundesamt für Energie keine Anfragen eingegangen, wie eine Sprecherin des Bundesamts für Energie auf Anfrage der «Aargauer Zeitung» bekannt gab.

Solaranlagen und Windparks nehmen Fahrt auf

Neben dem Notkraftwerk in Birr wird zur Bewältigung der Energiekrise auch der Bau von Solaranlagen beschleunigt. Obwohl es normalerweise Jahre dauern kann, ein Gesetz unter Dach und Fach zu kriegen, hat das Parlament in nur wenigen Wochen ein neues Energiegesetz beschlossen. Der Fokus des neuen Gesetzes: Die Solar-Offensive. Für eine sichere Stromversorgung sollen Abstriche beim Umweltschutz gemacht werden. Analog zur vom Parlament eingeleiteten Solar-Offensive plant die Umweltkommission des Nationalrats eine Windoffensive. Dafür will sie die Einspruchsmöglichkeit gegen Baubewilligungen aushebeln. Auch gegen diese Pläne werden zunehmend Stimmen laut: Bundesjuristen sehen dieses neue Gesetz kritisch, die Pläne seien nicht verfassungskonform.

Windräder im Aargau?

Die Wind- und Solar-Offensive dürfte im Kanton Aargau besonders den geplanten Windpark Burg betreffen. Eine der geplanten fünf Turbinen soll in der Aargauer Gemeinde Oberhof zu stehen kommen. Seit nunmehr zwölf Jahren gibt es die Pläne für den Windpark. Was im vorliegenden Projekt das Windrad auf Aargauer Seite betrifft: Die Bevölkerung von Oberhof muss an einer Gemeindeversammlung noch einer Zonenplanänderung zustimmen. Auch dieser Termin steht noch nicht fest. Gegner haben bereits angekündigt, gegen die geplanten Windräder bis vors Bundesgericht zu ziehen. Aber wer weiss – vielleicht geht es doch plötzlich schnell.

Was denkst du? Sollten solche Projekte plötzlich entstehen können? Diskutiere mit in der Kommentarspalte.

veröffentlicht: 30. September 2022 05:45
aktualisiert: 30. September 2022 05:45
Quelle: ArgoviaToday

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