Schock im KSB

Wenn Patienten komplett ausrasten

· Online seit 04.06.2022, 06:33 Uhr
«Wenn ein Patient ausser Rand und Band gerät» tituliert das Kantonsspital Baden einen Instagram-Post, in dem ein völlig demoliertes Isolationszimmer zu sehen ist. Ein Einzelfall? Wir haben nachgefragt.
Anzeige

Als hätte ein Tornado gewütet: So sah das Isolationszimmer im Kantonsspital Baden aus, nachdem ein Patient unter Alkohol- und Drogeneinfluss komplett die Kontrolle verlor. Das KSB schreibt, die Situation konnte deeskaliert werden, bevor jemand ernsthaft zu schaden kam.

Dass aber solche Szenen das bereits ausgelaugte Pflegepersonal noch zusätzlich belasten, erklärt sich von selbst. In den Spitälern wird deshalb mit einem Sicherheitsdienst zusammen gearbeitet und nötigenfalls die Polizei bei bezogen. Doch – wie oft kommt es zum Äussersten?

«Wir verzeichnen im ganzen Kanton keine vehemente Zunahme von Ausschreitungen in den Pflegeinstitutionen, die soweit gehen, dass die Polizei gerufen werden müsste», beschwichtigt Corina Winkler, Kommunikationschefin der Kantonspolizei Aargau, auf Anfrage von ArgoviaToday. «Wenn es zu einem Zwischenfall kommt, regelt die Polizei das in Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst.»

Und auch das Kantonsspital Baden verweist grundsätzlich auf den hausinternen Sicherheitsdienst. Ein Eingreifen der Polizei sei «ultima ratio», so Omar Gisler vom Mediendienst des KSB. «Der Notfall des KSB wird jährlich von über 60'000 Patientinnen und Patienten aufgesucht – aus den unterschiedlichsten Gründen», führt der Mediensprecher aus. «Wenn jemand potenziell selbst- oder fremdgefährdend ist, bringen wir die Person in Isolationszimmern unter.» Und dann nennt Omar Gisler eine Zahl, die zu denken gibt: «Im vergangenen Jahr kam es zu insgesamt 140 verbalen und physischen Übergriffen gegen Mitarbeitende des Notfallzentrums.» 140 Übergriffe innert Jahresfrist alleine im Kantonsspital Baden?

Man muss diese Zahl aber auch etwas relativieren, wie die Medienverantwortlichen des KSB gegenüber TeleM1 ausführt: «Es gibt immer weniger Hausärzte, die Leute kommen vermehrt in den Notfall. Da kommt es dann zur Triage – und oftmals zu langen Wartezeiten für ‹Bagatellen›. Diesen Frust lassen einige am Personal aus und da fliesst schon ein verbaler Übergriff in die Statistik ein.» Es kommt also nicht 140 Mal pro Jahr vor, dass ein Isolationszimmer so aussieht wie im Instagram-Post. Dies bestätigen uns dann auch Mitarbeitende der Pflege: «Solche Szenen kennt man in Psychiatrien oder Einrichtungen für Süchtige. In den regulären Spitälern ist das eine Seltenheit, dass etwas so demoliert wird. Und wenn, dann waren die Patienten meistens im Delir wegen Narkosemitteln», erzählt uns eine langjährige diplomierte Pflegefachfrau.

veröffentlicht: 4. Juni 2022 06:33
aktualisiert: 4. Juni 2022 06:33
Quelle: ArgoviaToday

Anzeige
Anzeige
argoviatoday@chmedia.ch