Bei einer Medienkonferenz der Economiesuisse, dem Wirtschaftsdachverband des Landes, mussten die ursprünglichen Prognosen deutlich nach unten geschraubt werden. Grund dafür waren vor allem die schwierige Energieversorgung der letzten Monate und die hohe Inflation in vielen Märkten.
«Eigentlich wäre eine klare Erholung nach der Pandemie-Situation angezeigt – dies wird aber durch die Lieferengpässe verhindert», sagte Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch bei der Präsentation der neuen Wachstumsprognosen. Der Verband erwartet nun noch ein Wachstum des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP) im laufenden Jahr um 1,8 Prozent, nachdem er zuvor von einem Plus von 2,5 Prozent ausgegangen war. Für 2023 sieht er noch ein Wachstum von 1,6 Prozent.
Angezogene Handbremse
Die Schweizer Wirtschaft sei von der Lieferkettenproblematik besonders heftig betroffen, so Economiesuisse. «Die Schweizer Wirtschaft fährt derzeit mit angezogener Handbremse. Und die Lage wird sich nicht so rasch ändern», so das Fazit.
Noch «nicht so dramatisch» sei die Inflationssituation in der Schweiz, sagte Minsch. Dennoch erwarten die Ökonomen des Verbands im Jahresdurchschnitt eine Teuerung von Rohstoffen und Dienstleistungen von 2,9 Prozent.
Positiver sind die Aussichten für den Arbeitsmarkt, wo der anhaltende Fachkräftemangel zu einer tiefen Arbeitslosigkeit führen dürfte: Die Arbeitslosenquote dürfte laut den Prognosen 2022 durchschnittlich bei 2,2 Prozent liegen und auch im kommenden Jahr nur minimal ansteigen.
Erschwerter Rohstoff-Bezug
Seit dem Ukraine-Krieg fehlt es an Stahlprodukten, aber auch an Lebensmitteln wie ukrainischem Weizen. Die Ukraine ist ausserdem wichtigster Lieferant von Kabelbäumen in der Automobilindustrie, dortige Produktionsunterbrüche beeinträchtigen indirekt auch die hiesigen Autozulieferer.
Dazu kommen die Ausfälle wegen der strengen Corona-Politik von China. «Rund 3 Prozent der weltweiten Containerfrachtkapazität steht zurzeit allein vor dem Hafen in Schanghai im Stau», sagte Minsch. Eine Normalisierung dürfte auch gemäss den Erwartungen der Unternehmen noch «viele Monate dauern».
Sorgen bereitet den Unternehmen ausserdem die schwierige Rekrutierung von Fachkräften: Mehr als ein Viertel der befragten Unternehmen gab an, nicht genügend ausgebildetes Personal zu finden. «Der Fachkräftemangel ist inzwischen zur Konjunkturbremse geworden», stellte Minsch fest.
Schocks und Unsicherheiten
Insgesamt bleibe die Unsicherheit für den Konjunkturverlauf hoch, so Economiesuisse. Während einzelne Risiken wie der Fachkräftemangel und die Lieferengpässe die Konjunktur bremsen, könnten andere diese sogar völlig abwürgen: So hätten eine Energiemangellage im kommenden Winter oder eine Eskalation des Ukraine-Kriege «schockartige, negative Auswirkungen» mit rezessiven Folgen. Davon gehe die aktuelle Economiesuisse-Prognose allerdings nicht aus, betonte Minsch abschliessend.
(sda/baz)