Sexuelle Gewalt

Opfer sollen Behörden stärker vertrauen

· Online seit 21.11.2022, 18:44 Uhr
Nur wenige Sexualstraftaten führen zu einer Anzeige. Auch haben viele Frauen Angst vor dem Verfahren. Dies ergab die erste Bestandesaufnahme anlässlich des am Montag lancierten Dialogs «Sexuelle Gewalt» von Bund und Kantonen.
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Das Vertrauen der Opfer von sexueller Gewalt in die Behörden ist wichtig, um Täter und Täterinnen verurteilen zu können. Die zuständigen Stellen bei Bund und Kantonen haben den Dialog «Sexuelle Gewalt» lanciert, in dessen Zentrum die Begleitung der Opfer, die vereinheitlichte Ausbildung der Behörden und die Verbesserung der Datenlage stehen.

Am ersten Treffen am Montag nahmen Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Kantonen sowie von Polizeien und Strafverfolgungsbehörden eine erste Bestandesaufnahme vor. Es seien drei Handlungsfelder definiert worden, die nun vertieft würden, berichtete Justizministerin Karin Keller-Sutter nach dem Treffen in Bern vor den Medien.

Zuerst einmal solle die Datenlage geklärt werden, etwa zur Zahl der Anzeigen und Verurteilungen. Das zweite Feld seien die Begleitung und Unterstützung der Opfer im Strafprozess und das dritte vereinheitlichte Aus- und Weiterbildungen zum Thema sexuelle Gewalt bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten.

Angst vor dem Verfahren

Das Parlament debattiert derzeit die Revision des Sexualstrafrechts. Umstritten ist, ob künftig «Nur Ja heisst Ja» oder aber «Nein heisst Nein» im Gesetz verankert werden soll. Je nachdem begeht eine Straftat, wer eine sexuelle Handlung an einer Person ohne deren Zustimmung oder trotz deren ausdrücklicher Ablehnung vornimmt.

Die laufende Revision werde so oder so eine Etappe sein, sagte Keller-Sutter. Damit aber effektiv mehr Delikte angezeigt würden als heute, sei es wichtig, die Opfer zu beraten und zu begleiten und ihre Erwartungen und Ängste ernst zu nehmen. «Viele Frauen haben Angst vor dem Verfahren», so Keller-Sutter.

«Das macht uns Sorgen»

Die Statistik zeige, dass nur wenige Sexualstraftaten zu einer Anzeige führten, sagte der Tessiner Staatsrat Norman Gobbi namens der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD). «Das macht uns Sorgen.» Gründe für die Zurückhaltung der Opfer könnten Beziehungen zu Tätern oder Abhängigkeit von ihnen sein.

Keller-Sutter hob ein Angebot des Universitätsspitals Lausanne als gutes Beispiel hervor. Opfer von Sexualstraftaten könnten sich dort untersuchen lassen, und die Befunde würden danach aufbewahrt. Sollte das Opfer sich später für eine Anzeige entscheiden, stünden die erhobenen Beweise für das Verfahren zur Verfügung.

Präziser werden

Die Datengrundlagen zu Anzeigen von Sexualstraftaten seien nicht sehr ausgegoren, sagte Keller-Sutter. Es gebe grosse Differenzen zwischen den Kantonen. «Hier müssen wir präziser werden.»

Bessere Daten zu Sexualdelikten in der Schweiz und verschiedenen Formen dieser Art von Gewalt forderte kürzlich bereits die internationale Expertinnen- und Expertengruppe des Europarats (Grevio). Sie hatte die Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Schweiz überprüft.

Nach der Bestandesaufnahme vom Montag würden die drei bezeichneten Handlungsfelder vertieft, sagte Keller-Sutter. Im nächsten Jahr soll der Dialog «Sexuelle Gewalt» mit dem Dialog «Häusliche Gewalt» zusammengeführt und eng mit dem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention koordiniert werden.

Hauptakteure im Dialog sind neben dem Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) die KKJPD, die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren und das Eidgenössische Gleichstellungsbüro. Vertreten waren auch das Bundesamt für Statistik und die wichtigsten Organisationen der kantonalen Polizeien, der Staatsanwaltschaften, der Gerichte, des Opferschutzes und die Kriminalprävention.

(sda/roa/bza)

veröffentlicht: 21. November 2022 18:44
aktualisiert: 21. November 2022 18:44
Quelle: Today-Zentralredaktion

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