Ein Fernsehreporter warnte gleich, man solle nun nicht auf die Schlagzeilen hereinfallen, die Iren hätten ausgerechnet am Frauentag dafür gestimmt, dass Frauen zu Hause bleiben sollten. «Hier ging es nicht um die veraltete oder sexistische Sprache in der Verfassung», sagte Steven Murphy in Dublin. Vielmehr habe es mit der chaotischen Vorgehensweise der Regierung zu tun, dass die Pläne zur Modernisierung der Verfassung gescheitert seien.
Zwei Drittel der Irinnen und Iren gegen Verfassungsänderung
Gleich zwei Stellen in der Verfassung sollten per Volksabstimmung in Irland geändert werden. Die Regierung wollte den Familienbegriff erweitern, damit auch unverheiratete Paare explizit eingeschlossen sind. Ausserdem sollten Formulierungen wie «häusliche Pflichten» der Frau ersetzt werden. Doch das Vorhaben scheiterte gewaltig.
Mehr als zwei Drittel der teilnehmenden Wahlberechtigten stimmten gegen die Änderungsvorschläge, wie die Auszählung am Samstagabend ergab. Regierungschef Leo Varadkar hatte bereits am Nachmittag eine Niederlage eingeräumt: «Es war unsere Verantwortung, eine Mehrheit der Menschen zu überzeugen, mit Ja zu stimmen, und wir sind eindeutig dabei gescheitert.»
Irinnen und Iren wollen traditionelle Familien
Die Menschen im katholisch geprägten Irland haben mit Referenden schon manche wichtige Entscheidung getroffen. So setzten sie in der Vergangenheit die völlige Gleichstellung der Ehe homosexueller Paare durch und stimmten für die Abschaffung des Abtreibungsverbots. Nun setzte die Regierung am Freitag eine doppelte Abstimmung an.
Zum einen sollte in einer Passage der Familienbegriff erweitert werden. 67,7 Prozent (1,02 Millionen) stimmten dagegen, die Wahlbeteiligung lag bei rund 44,4 Prozent. Ein Artikel, der die Familie «als die natürliche, primäre und grundlegende Einheit der Gesellschaft» anerkennt, hätte ergänzt werden sollen um den Zusatz «Familie – unabhängig davon, ob sie auf einer Ehe oder einer anderen dauerhaften Beziehung beruht».
Care Arbeit wird nicht in irischer Verfassung verankert
Zum anderen sollte eine Stelle geändert werden, in der zum Beispiel von «häuslichen Pflichten» der Frau die Rede ist. Die Passage hätte durch eine geschlechtsneutrale Formulierung ersetzt werden sollen, in der auch die Bedeutung von Sorgearbeit verankert werden sollte. Hier stimmten sogar 73,9 Prozent dagegen (1,1 Millionen Stimmen).
Tief enttäuscht über das Ergebnis zeigte sich der Nationale Frauenrat (NWC) in Irland. «Das «Nein» bedeutet, dass die Familien von über 40 Prozent der ausserehelich geborenen Kinder, und die über eine Million Menschen, die in unverheirateten Familien leben, in unserer Verfassung immer noch nicht anerkannt werden», sagte NWC-Direktorin Orla O’Connor. Ihrer Meinung nach trugen mehrere Faktoren zu dem Ergebnis bei – die schlechte Formulierung der Sätze etwa und die mangelnde Führungsstärke der Parteien.
Ähnlich sieht das Kevin Doyle, Nachrichtenchef der Tageszeitung «Irish Independent»: «Die Debatte darüber, wie eine dauerhafte Beziehung mit einer Ehe zu vergleichen ist, verwirrte die Menschen. Einmal schlug der neutrale Vorsitzende der Wahlkommission vor, dass ein Dauerhaftigkeitstest auch die Frage beinhalten könnte, ob man als Paar Weihnachtskarten verschicke oder gemeinsam auf Hochzeiten gehe.» Das sei nicht gut angekommen.
Menschen mit Behinderung politisierten gegen Verfassungsänderung
Bürgerinnen und Bürger hatten vor der Abstimmung in mehreren Medien gesagt, sie wüssten einfach nicht, worum es bei den Referenden gehe. Den Ausdruck «dauerhafte Beziehung» fanden manche zu vage – auch vor dem Hintergrund, dass der Verfassungsartikel, in den der Ausdruck passen sollte, aus dem Jahr 1937 stammt. Der Artikel zur Sorgearbeit stiess ebenfalls auf Bedenken. So etwa bei Menschen, die sich für Menschen mit Behinderungen engagieren. Sie fürchteten, dass die neue Formulierung die Verantwortung für Pflege vom Staat auf die Familie verschieben könnte. Manchen gingen die Vorschläge auch nicht weit genug.
Eine Textstelle besagt nun weiterhin, dass der Staat anerkennt, dass «die Frau durch ihr Leben zu Hause dem Staat eine Stütze ist, ohne die das Gemeinwohl nicht verwirklicht werden kann». Der Staat solle darauf hinwirken, dass Mütter nicht aus wirtschaftlicher Notwendigkeit gezwungen würden, «unter Vernachlässigung ihrer häuslichen Pflichten» einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Am Sonntag jedenfalls feierten die Iren dann den Muttertag.
(sda/gin)