Auf den Leim gegangen

Aargauer «Miss Marple» alias Trudi hat es den Telefonbetrügern ordentlich gezeigt

17.07.2023, 09:37 Uhr
· Online seit 16.07.2023, 08:02 Uhr
Die Zahl der Betrügeranrufe nimmt stetig zu. Im laufenden Jahr konnten die Gauner im Aargau schon mehr erbeuten als im gesamten vergangenen Jahr. Die 73-jährige Trudi hat sich allerdings nicht reinlegen lassen.
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Im laufenden Jahr haben Telefonbetrüger im Kanton Aargau bereits 1,3 Millionen Franken ergaunert. Das ist so viel wie im gesamten letzten Jahr, schreibt die «SonntagsZeitung». Die Dunkelziffer dürfte jedoch noch viel höher ausfallen, denn viele würden sich schämen und sich nicht oder viel zu spät an die Polizei wenden.

«Ich bin zwar alt – aber nicht blöd»

Eine 73-Jährige aus dem Aargau hat den Gaunern am Telefon jedoch Einhalt geboten: Trudi – die in der Zeitung nur mit Vornamen genannt werden wollte – bekam im März einen Anruf.

Eine Männerstimme in akzentfreiem Hochdeutsch meldete sich am anderen Ende der Leitung und stellte sich als Polizist vor. Man habe in Trudis Nachbarschaft zwei Männer verhaftet und zwei weitere seien noch flüchtig. Sie solle so schnell wie möglich alle Wertsachen zusammensuchen und den Polizisten geben, die gleich vorbei kommen werden.

Der Seniorin ist sofort klar, dass es sich um Betrug handeln muss: «Ich bin zwar alt, aber nicht blöd. Die Polizei ruft in einem solchen Fall nie an. Nie.» Doch Trudi beschliesst mitzuspielen und den Betrügern das Handwerk zu legen. Später bekommt sie in ihrer Familie deswegen gar den Spitznamen «Miss Marple».

Trudi verständigt die Polizei – die richtige. Diese bittet sie, weiter Zeit zu schinden. Und genau das tut sie. Sie müsse nochmals auf die Toilette, sei nicht allzu gut zu Fuss und es dauere deshalb, bis sie all den Schmuck aus den Zimmern beisammenhabe. «Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, dass ich Geld und Schmuck habe», sagte die Rentnerin und lacht. Der falsche Polizist zeigt Verständnis und wartet. Dass die 73-Jährige ihn gründlich aufs Korn nimmt, ahnt er nicht.

Derweil bemerkt Trudi einen jungen Mann, der in ihrem Garten steht und telefoniert. Offensichtlich gehört er zur Betrügerbande. Sie unterrichtet ihren Ansprechpartner bei der Polizei darüber und kurz darauf ist diese auch schon vor Ort und verhaftet den Mann. Zum Gauner, der noch immer am Telefon ist, sagt sie: «Euer Kollege ist soeben verhaftet worden. Ich wünsche euch einen ganz schlechten Tag.»

Die Polizei fordert niemals Geld am Telefon

Die Seniorin hat an diesem Tag mächtig Mut bewiesen und der Polizei geholfen: «Jede Person, die wir verhaften können, bringt uns einen Schritt weiter», sagt Corina Winkler von der Kantonspolizei Aargau. Die Spuren der Betrüger führten oft in die Türkei – dort gäbe es eingerichtete Call-Center mit Anrufern, die perfekt Hochdeutsch oder sogar Schweizerdeutsch sprächen.

Diese rufen dann systematisch bei Menschen mit einem alten Vornamen an. Vor allem bei Frauen. Eine Auswertung des «Tagesanzeigers» zeigt, die drei am häufigsten angerufenen Vornamen sind Elisabeth, Maria und Ursula. Gertrud, wie Trudi eigentlich heisst, steht an fünfter Stelle.

Für Corina Winkler von der Kapo Aargau ist klar, dass die Anrufe nicht so schnell aufhören werden. Im Gegenteil, die Täterbanden würden nur noch schlauer vorgehen: «Es ist anzunehmen, dass wir mit digital erzeugten Stimmen und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz erst am Anfang stehen.» Eines verändere sich aber nicht: «Die Polizei fordert am Telefon niemals Geld.» Das sei immer ein Betrug.

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(crb)

veröffentlicht: 16. Juli 2023 08:02
aktualisiert: 17. Juli 2023 09:37
Quelle: ArgoviaToday

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