Schweiz

Dieses Kollektiv steckt hinter dem Instagram-Account von «Carlos»

Der Fall Brian

Dieses Kollektiv steckt hinter dem Instagram-Account von «Carlos»

31.08.2021, 13:50 Uhr
· Online seit 05.07.2021, 05:54 Uhr
Brian, bekannt geworden durch den «Fall Carlos», ist seit Monaten ein viel beschriebenes Thema. Nun gibt es einen Instagram-Account, der handgeschriebene Notizen des Straftäters teilt.
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«Ihr habt mich alle als Carlos kennengelernt, aber ich bin Brian.» Dieser Satz steht in dynamischer Handschrift auf einem sonst recht kargen Blatt Papier. Es ist einer der Briefe, die das Kollektiv «#BigDreams» auf dem Instagram-Account «mein_name_ist_brian» veröffentlicht.

Das Kollektiv will Brian – und vor allem den gesellschaftskritischen Themen, die rund um sein Schicksal aufkommen – eine Stimme geben. Im Interview mit ArgoviaToday erklären die Vertreterinnen und Vertreter des Kollektivs, weshalb ihnen dies so wichtig ist: «Brian selber erkennt in seinem Fall strukturelle und politische Themen, so wie wir auch. Hier ist das Ziel, dass diese Diskussionen angeregt und geführt werden.»

So funktioniert die Zusammenarbeit

Die handgeschriebenen Notizen und Briefe von Brian gelangen auf unterschiedliche Weise zum Kollektiv «#BigDreams». Laut Remo* – einem Mitglied des Kollektivs – besteht sowohl telefonischer als auch schriftlicher Kontakt zu Brian. Ausserdem hat das Kollektiv das Besuchsrecht im Gefängnis und kann so persönlich mit Brian Kontakt halten.

Seit eineinhalb Jahren ist das Kollektiv mit Brian in Kontakt. Alle Instagram-Posts und auch das Konzept des Accounts seien mit ihm persönlich abgesprochen. «Grundvoraussetzung ist, dass Brian überhaupt Kontakt halten will. Er muss auch das Einverständnis geben, damit man ihn überhaupt besuchen kann», erklärt Remo. Danach müssen die Gesuche noch durch alle Instanzen, bis eine Bewilligung erteilt wird.

Ein grosser Aufwand für so einen Instagram-Account. Was ist die Motivation dahinter? «Uns motiviert die Erkenntnis, die wir im Austausch mit Brian hatten, dass sein Schicksal sehr extrem ist. Es steht in seiner Extremität beispielhaft für institutionelle Gewalt, extreme Haftregime, strukturellen Rassismus und für einen Medienskandal. Dies kommt alles so krass zusammen in der Geschichte von Brian, dass wir finden, es ist es wert, diese Geschichte zu erzählen – aus seiner Perspektive.»

Darf man einem verurteilten Straftäter eine solche Plattform bieten?

Auf die Frage, ob es richtig sei, einen Straftäter wie Brian auf Instagram zu Wort kommen zu lassen, hat das Kollektiv eine klare Antwort: «Jeder Mensch hat das Recht darauf, die eigene Geschichte zu erzählen. Wir sehen es ausserdem als gerechtfertigt, weil keine andere Geschichte so krass durch mediale Hetze geprägt wurde. Es ist notwendig, dass er nun selber reden kann. Deshalb bekommt er von uns diese Plattform. Es ist ihm ein Ausgleich dafür, dass er so lange einfach zuschauen musste, wie er diffamiert wurde.»

Laut Larissa* vom Kollektiv #BigDreams geht es vor allem auch darum, wichtige Themen, die der Fall Brian aufwirft, wieder in die Öffentlichkeit zu bringen. «Es geht hier nicht nur um das Schicksal von Brian, sondern auch um die Debatte, die angestossen werden sollte. Das ist eigentlich schon Berechtigung genug.»

Dem Kollektiv ist klar, dass ihr Instagram-Projekt auch auf Kritik stösst. Dies hindert das Kollektiv aber nicht daran, ihr Anliegen weiter zu verfolgen, so Remo: «Wir möchten darauf beharren, dass Brian Menschenrechte hat, die momentan verletzt werden. Dass er das Recht an seiner eigenen Biografie hat und daran, sie zu erzählen.»

In Zukunft will das Kollektiv auch durch andere Medien auf die Geschichte von Brian aufmerksam machen. Ihr wichtigstes Ziel wird bleiben, auf die Menschenrechtsverletzungen, institutionelle Gewalt und rassistische Darstellung von Brian als «Carlos» hinzuweisen.

*Die Namen wurden geändert, da die Mitglieder des Kollektivs #BigDreams anonym bleiben wollen. Ihnen ist es wichtig, Brian eine Stimme zu geben. Sie wollen mit ihrer Person dem Projekt nicht im Wege stehen und verzichten deshalb darauf, ihre Namen zu nennen.

veröffentlicht: 5. Juli 2021 05:54
aktualisiert: 31. August 2021 13:50
Quelle: ArgoviaToday

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