Deutsche Fahrlehrer melden eine besorgniserregende Entwicklung: Immer mehr junge Menschen fallen durch die Autoprüfung. Sind 2013 noch rund 29 Prozent der Fahrschülerinnen und Fahrschüler bei der theoretischen Prüfung durchgefallen, waren es 2021 rund 37 Prozent. Bei der praktischen Fahrprüfung lag die Durchfallquote 2013 bei 37 Prozent. 2021 mussten rund 43 Prozent nochmal antreten, wie die «Autozeitung» schreibt.
Laut Fahrlehrerverband ist nicht nur die mangelnde Vorbereitung ein Grund für diesen Trend. Das erhöhte Verkehrsaufkommen spiele ebenso eine Rolle, wie gestiegene Prüfungsanforderungen und neue Verkehrsregeln. Ausserdem beobachte man eine schlechtere Wahrnehmung für den Verkehr. Das wird auf die verstärkte Smartphone-Nutzung zurückgeführt. Dem Handy widmeten Jugendliche mehr Aufmerksamkeit als dem Verkehrsgeschehen. Junge Menschen haben nicht mehr diese «natürliche Affinität zum Verkehrsgeschehen wie früher», lässt sich der Vize-Vorsitzende der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände zitieren.
Stabile Durchfallquote in der Schweiz
Für die Schweiz gibt die ASA, die Vereinigung der Strassenverkehrsämter, Entwarnung. Hierzulande ist der Anteil der nicht bestandenen Autoprüfungen seit Jahren stabil. Langfristig betrachtet nimmt er sogar ab. 2005 fielen noch 35,2 Prozent durch die praktische Prüfung in der Kategorie B. 2014 waren es 32,5 und 2021 33,4 Prozent.
Aus diesen Zahlen zu schliessen, dass Schweizerinnen und Schweizer einfach bessere Autolenkende seien, sei aber ein Trugschluss, wie Michael Gehrken, Präsident des Schweizer Fahrlehrer Verbands sagt. Die Junglenkenden würden von den Fahrlehrerinnen und Fahrlehrern bis zur Prüfungsreife ausgebildet, sodass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, die Prüfung zu bestehen. Allerdings gebe es viele Punkte, die gelernt werden müssten, die sehr wohl verkehrssicherheitsrelevant, nicht jedoch prüfungsrelevant seien.
«Wir gehen deshalb davon aus, dass die Prüfung in der heutigen Form grundsätzlich überdacht werden müsste», so Gehrken. Sein Verband dränge mit anderen Fachleuten im Bereich Verkehrssicherheit und Unfallprävention seit längerem darauf, dass die Prüfungsanforderungen geprüft und den aktuellen Entwicklungen angepasst würden.
Beim Autofahren geht es um Menschenleben
Auch Schweizer Fahrlehrer bestätigen, dass Junglenkende heute vor neuen Herausforderungen stehen. Ein Problem sei die Einstellung gegenüber dem Strassenverkehr. Die Haltung sei weit verbreitet, dass man einfach Autofahren könne und dies quasi ein Grundrecht sei, sagt der oberste Berner Fahrlehrer Markus Hess.
Autofahren sei aber eine Tätigkeit, welche man wie andere erlernen müsse. Und wie bei anderen Fähigkeiten hätten damit einige wenig Mühe – andere mehr. Der entscheidende Unterschied sei, dass es im Strassenverkehr auch um Menschenleben gehe. Entsprechend ernst müsse man die Ausbildung nehmen, sagt der Präsident des Kantonal-Bernischen Autofahrlehrer-Verbands.
Auf zwei konkrete Probleme weist Michael Gehrken hin. Zum einen hätten das Verkehrsgeschehen und die Komplexität massiv zugenommen: «Immer mehr Verkehrsteilnehmende und immer neuere Verkehrsmittel teilen sich den immer knapper werdenden Verkehrsraum.» Hinzu komme, dass moderne Fahrzeuge im Zuge der Automatisierung nicht zwingend einfacher zu fahren seien. Das betreffe allerdings nicht nur die Neulenkenden, sondern alle Verkehrsteilnehmenden.
Handys sind eine von vielen Ablenkungen
Zum anderen sei die Gefahr der Ablenkung im Alltag heute generell höher. «Handys sind da nur ein Bestandteil, wenngleich einer der problematischsten», so der Präsident der Schweizer Fahrlehrer. Im Auto selbst sei die Ablenkung durch Handys ein massives Unfallrisiko. Diesen veränderten Anforderungen müsse die Fahrausbildung Rechnung tragen.
Generell, betont Gehrken, müsse man sich nicht bloss auf das Bestehen oder Durchfallen an der Autoprüfung fokussieren. Es gehe nicht um die Prüfung, sondern darum, dass alle Verkehrsteilnehmenden sicher unterwegs sind. Dazu gehörten primär Respekt den anderen gegenüber und ein hohes Risikobewusstsein. Wenn man dann auch das Fahrzeug noch beherrsche und die Verkehrsregeln kenne, könne man aktiv am Verkehrsgeschehen teilnehmen. «Unter diesen Voraussetzungen sollte auch die Prüfung kein Problem mehr darstellen – es sei denn, man hat Prüfungsangst.»
(osc)