Quelle: Reuters / CH Media Video Unit / Katja Jeggli
Um was geht es?
Am 11. März 2011 kam es im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi in Folge eines schweren Erdbebens und eines Tsunamis zu einem Super-GAU mit Kernschmelzen. Noch heute müssen die zerstörten und weiter strahlenden Reaktoren mit Wasser gekühlt werden. Dieses Wasser wird in Tanks gelagert, doch der Platz dafür geht nach Angaben des Betreibers aus.
Aus diesem Grund beschloss die japanische Regierung, dass das belastete Wasser über einen eigens hierfür gebauten Tunnel in den Pazifischen Ozean geleitet wird. Vor der Verklappung wird das Wasser behandelt. Ein Filtersystem kann 62 Nuklide herausfiltern – mit Ausnahme des radioaktiven Isotops Tritium. Der Betreiber will das Wasser daher so stark verdünnen, dass die Tritium-Konzentration auf rund 1500 Becquerel pro Liter sinkt, was weniger als einem Vierzigstel der nationalen Sicherheitsnorm entspreche.
Warum ist die Verklappung umstritten?
Das Kühlwasser aus Fukushima enthält hohe Konzentrationen an radioaktiven Stoffen. Täglich fallen etwa 100 Tonnen kontaminiertes Wasser an. Es wird in mehr als 1000 Tanks gelagert, die jetzt an die Kapazitätsgrenze stossen. Japans Atomaufsichtsbehörde hatte deshalb kürzlich grünes Licht für die Einleitung in den Pazifik gegeben. Zuvor hatte auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) den Verklappungsplänen zugestimmt. Japan erfülle die internationalen Sicherheitsstandards. Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt seien «vernachlässigbar».
Japans Fischer lehnten die Entsorgung des Kühlwassers bis zuletzt ab. Seit dem Super-Gau 2011 versuchen sie, sich von den Geschäftseinbussen durch das Desaster zu erholen. Nun befürchten sie, dass der Ruf ihrer Meeresprodukte erneut beschädigt wird. Auch China reagierte wütend. Japan habe sich zu einem «Saboteur des ökologischen Systems und einem Verschmutzer der globalen Meeresumwelt gemacht», hiess es in einer Erklärung des Aussenministeriums in Peking. Als Reaktion hat China die Einfuhr von Fischereiprodukten aus Japan gestoppt.
Was sagt die japanische Regierung?
Japans Regierungschef Fumio Kishida hat den heimischen Fischern die volle Verantwortung des Staates für die Einleitung des Kühlwassers aus Fukushima ins Meer zugesichert. «Wir versprechen, dass der Staat bis zum Abschluss die volle Verantwortung übernimmt und weiterhin die notwendigen Massnahmen ergreift, um den Lebensunterhalt der Fischer zu sichern», sagte Kishida am Montag bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden der Nationalen Vereinigung der Fischerverbände in Tokio.
Gäbe es Alternativen?
Vor der Entscheidung der japanischen Regierung, das Wasser im Meer zu entsorgen, hatten Experten sechs Jahre lang über Alternativen beraten. Dazu gehörte das Einlagern in tiefen Erdschichten und das Verdampfen. Die Auswirkungen dieser Methoden seien jedoch schwer vorherzusagen, zudem gebe es kein Überwachungssystem hierfür. Auch eine langfristige Lagerung in immer mehr Tanks sei erörtert worden, doch dies würde die Stilllegungsarbeiten an der Atomruine behindern und berge das Risiko von Lecks, hiess es.
Wie die Tsunami-Welle das AKW in Fukushima traf:
Quelle: youtube.com, Archivvideo vom 5. Dezember 2014
Das wissenschaftliche Gremium des Pazifik-Insel-Forums und andere Experten schlugen vor, das Wasser mit Zement zu verfestigen. So wäre das Tritium im Beton eingeschlossen und könnte vor Ort viel sicherer gelagert werden. Die Technologie existiert laut Experten bereits und werde auch genutzt. Japans Regierung argumentierte dagegen, dass bei dieser Methode radioaktive Substanzen in die Atmosphäre gelangen könnten, da beim Prozess der Verfestigung tritiumhaltiges Wasser verdampfen würde.
Sollte man jetzt die Finger von Fisch aus der Region lassen?
Nein, meint Japan und steht damit nicht allein: So hob die Europäische Union erst kürzlich ihre Einfuhrbeschränkungen für Lebensmittel aus Fukushima auf. Auch Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein schafften ihre Restriktionen ab. Die radiologischen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt durch die Einleitung des Wassers in den Pazifischen Ozean seien «vernachlässigbar», urteilte die IAEA.
Um das zu beweisen, wird Japans Fischereibehörde gleich mit Beginn der Verklappung zunächst einen Monat lang jeden Tag Meeresfrüchte auf radioaktives Tritium hin testen. Die Testergebnisse werden schon innerhalb von wenigen Tagen auf Japanisch und Englisch veröffentlicht.
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Wie lange dürfte es noch dauern, bis die Katastrophe in Fukushima vollständig überwunden ist?
Bis zu 40 Jahre wird es nach amtlichen Angaben dauern, bis die Atomruine stillgelegt ist, doch halten Kritiker diesen Zeitrahmen für viel zu optimistisch. Die geplante Ableitung des Wassers ins Meer selbst wird laut Schätzungen rund 30 Jahre in Anspruch nehmen.
(sda/osc)