Harte Droge

«Eine Bleistiftspitze Fentanyl kann tödlich sein» – so ist die Situation im Aargau

23.11.2023, 08:19 Uhr
· Online seit 23.11.2023, 07:06 Uhr
Die Droge Fentanyl führt in den USA bei vielen Süchtigen zum Tod. Nun soll Fentanyl auch die Schweiz erreicht haben. Was das für den Aargau bedeutet und was die Horror-Droge für Auswirkungen hat, erklärt eine Expertin für Suchterkrankungen.
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«Fentanyl ist ein hochdosiertes Opiat, dass 50-mal stärker wirkt wie Heroin», sagt Eva-Maria Pichler, Leiterin des Zentrums für Abhängigkeitserkrankungen (ZAE), auf Anfrage von ArgoviaToday. In den USA ist das seit Jahren ein grosses Problem. Die harte Droge ist bereits in der Schweiz im Umlauf, soll aber hauptsächlich in grösseren Städten kursieren, wie «20 Minuten» schreibt.

Die Wirkung der Droge ist nicht zu unterschätzen: «Alles andere wird einem egal», erklärt Pichler. Nicht nur die Wirkung sei gefährlich, sondern auch die Dosierung entscheidend. «Zwei Milligramm, also eine bleistiftspitze kleine Menge, ist schon tödlich.» Da die richtige Dosierung zu finden, sei eine recht grosse Herausforderung.

Das Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen der Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG) in Windisch testet die Patienten alle sechs Monate auf Fentanyl und habe bisher nur einen einzigen Fall verzeichnen können. «Dabei handelte es sich aber um einen Patienten, dessen Drogen mit Fentanyl gestreckt waren. Er war selbst überrascht über das Testresultat», so Pichler. Das sei allerdings keine Seltenheit: «Viele Konsumenten wissen gar nicht, dass ihr Opiat mit Fentanyl gestreckt wird.» Auch der Suchtberatung Aargau seien bislang nur vereinzelte Fentanyl-Fälle bekannt, heisst es auf Anfrage. Dennoch hat die nationale Koordinationsstelle Infodrog im Sommer ein Faktenblatt zu Fentanyl verfasst. Laut Rückmeldungen von Kontakt- und Anlaufstellen hätten Konsumierende «sporadisch Fragen zu Fentanyl gestellt», berichtet die Pendlerzeitung.

Kanton Aargau ist auf Fentanyl vorbereitet

Seit beinahe einem Jahr klärt das ZAE seine Patientinnen und Patienten über die Gefahren der Droge Fentanyl auf. Zurzeit befinden sich 140 Personen im Zentrum der PDAG in Behandlung. «Wir testen vor allem diejenigen halbjährlich auf Fentanyl, die bei uns in Substitutions- und Opioidtherapie sind.»

Dadurch, dass Grossstädte in der Schweiz zuerst betroffen seien, könne sich der Aargau noch darauf vorbereiten. «Wir informieren bereits gefährdete Personen über die Gefahren dieser Droge und testen sie im Vorfeld», so Pichler.

Kanton Aargau setzt sich zu wenig für Drogensüchtige ein

In Olten geht die Tendenz derzeit gegen null. «Kein einziger unserer Klienten konsumiert bei uns die Droge Fentanyl», erklärt Catarina Martins, Abteilungsleiterin Kontakt- und Anlaufstelle. Im Konsumraum in Olten wäre es aber durchaus erlaubt, diese harte Droge zu konsumieren, sofern es sich um ein vom Arzt verordnetes Medikament handle.

Suchtkranke Menschen aus dem Aargau haben jedoch seit dem 1. Oktober 2023 keine Erlaubnis mehr, in einem Konsumraum im Kanton Solothurn ihre Drogen zu konsumieren. «Der Ansturm war zu gross und der Kanton Aargau gibt uns keine finanzielle Unterstützung. Deshalb dürfen wir keine Aargauer mehr aufnehmen», erklärt Martins. Dass der Kanton Aargau keine Konsumräume, hat, bereitet Martins Magenschmerzen: «Dadurch wird das Konsumereignis im öffentlichen Raum im Aargau zunehmen.»

Was sich vor allem an Brugg zeigt: Dort hat sich in den letzten Jahren eine offene Drogenszene entwickelt. Die Forderung nach einem Konsumraum in Brugg wird auch in der Politik immer lauter. Ein Experte sagt, dass geschützte Konsumräume ein essenzieller Teil bei der Problemlösung sein können. Auch für Pichler wären Konsumräume wünschenswert: «Diese könnten eine wichtige Rolle in der Schadensminderung spielen und sind für Menschen mit Abhängigkeiten ein ganz wichtiges Unterstützungsmittel.» Das zeigt auch ein Gespräch mit einem Betroffenen. Er erläutert gegenüber ArgoviaToday, warum Konsumräume eine wichtige Massnahme für suchtkranke Menschen sein können.

Quelle: ArgoviaToday / Selina Urech / Severin Mayer (19.10.23)

Nur eine Frage der Zeit bis Fentanyl in den Aargau kommt

«Ich könnte mir schon vorstellen, dass bald Klienten mit dieser Droge zu uns kommen. Da wir viel Erfahrung mit harten Drogen und starken Medikamenten haben, sollte es jedoch kein Problem werden, damit umzugehen», so Martins. Laut Pichler brauchen wir uns im Aargau und der gesamten Schweiz keine Sorgen machen – im Vergleich zu den USA seien wir hier gut mit dem gesamten Suchthilfesystem aufgestellt.

veröffentlicht: 23. November 2023 07:06
aktualisiert: 23. November 2023 08:19
Quelle: ArgoviaToday

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