Der Kampf um die Impfdaten von «meineimpfungen.ch» geht in die nächste Runde. Im März 2021 wurde die Plattform wegen Sicherheitsmängel vom Netz genommen. Die Daten sollten eigentlich gelöscht werden. Der Kanton Aargau sprang in die Bresche, um die Daten von mehreren Hunderttausend Personen zu retten. Auf Initiative der Stammgemeinschaft eHealth Aargau (SteHAG), des Kantons Aargau und des BAG und in Abstimmung mit dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDÖB) und dem mit dem Fall betrauten Konkursamt Bern wurde somit ein letzter Anlauf genommen, um die Daten zurückzugeben.
Seit Juni 2022 wurden diese nun in einem Vorprojekt geprüft, welches kürzlich abgeschlossen wurde. Was jetzt mit den Daten passiert, ist bis heute nicht kommuniziert worden. Der Medienanwalt Martin Steiger geht davon aus, dass die Impfdaten der 300'000 Betroffenen beim Kanton vor sich hin «gammeln». Weiter geht er davon aus, dass mit diesem Datensatz das elektronische Patientendossier gefördert werden soll, welches bei der Schweizer Bevölkerung bislang recht unbeliebt ist.
BAG subventioniert das Projekt
Weiter kritisiert Steiger, dass der Kanton für die Rettungsaktion Steuergelder eingesetzt haben soll. Dies wiederum hat das Aargauer Gesundheitsdepartement verneint. «Da habe ich allerdings grosse Zweifel. Wenn man sich anschaut, was das für ein Projekt ist und welcher Aufwand betrieben wurde – da würde es mich sehr wundern, wenn der Kanton das nicht in irgendeiner Weise monetär unterstützt hat», erklärt der Experte. Das Vorprojekt werde durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) finanziert, heisst es bei der «Aargauer Zeitung». Wie viel Geld geflossen ist, hat Steiger noch nicht feststellen können. Die Stammgemeinschaft habe einen Finanzierungsantrag ans BAG gestellt, sagt der Anwalt zu ArgoviaToday.
Dies geht aus einer Vereinbarung hervor, welche zwischen dem Kanton Aargau (Departement Gesundheit und Soziales), der Stammgemeinschaft eHealth Aargau und dem Konkursamt Bern-Mittelland getroffen wurde. Der Datenschützer hat Einblick in die Vereinbarung gefordert und diese nun auf seinem Anwaltsblog veröffentlicht. «Darin steht allerdings überraschend wenig. Es wurde festgelegt, sollten die Daten nicht zu retten sein, werden sie gelöscht», so Martin Steiger.
Überführung in ein elektronisches Patientendossier
«Jedoch steht auch in der Vereinbarung, dass die Daten zur ‹Wahrung der Rechte› auch in einem weiteren Schritt in ein elektronisches Patientendossier überführt werden können, soweit ein datenschutzkonformer Weg gefunden wird.» Dies sei nur optional und mit ausdrücklicher Bewilligung der Fall, betont Michel Hassler, Mediensprecher des Departement Gesundheit und Soziales.
Für Steiger ist klar, dass es nicht das Ziel sei, die Daten zu löschen, sondern diese in das elektronische Patientendossier zu überführen. Dies unterstreicht er damit, dass die Parteien sich in der Vereinbarung das Recht geben, während dem Vorprojekt keine Auskunfts- und Löschbegehren zu bearbeiten. «Man sagt zwar, dass man den betroffenen Personen helfen will, ich sehe das allerdings nicht.» Ansonsten würden sie die Löschbegehren ja beantworten. «Ich finde das ehrlich gesagt ziemlich frech.» Erst im Hauptprojekt können die eingegangenen Begehren beantwortet werden, fügt Hassler an.
Gesetzliche Grundlagen nicht gegeben
Mehrere Versuche, die Daten zu retten, seien bislang gescheitert – sei es wegen einer Datenpanne oder weil sich die Daten an einem schlechten Ort befinden. «Aufgrund dessen ist mir schon bewusst, warum man keine Auskunft geben kann. Die Daten werden schlichtweg nicht kontrolliert. Daher gibt es aus meiner Sicht nur eine Lösung, und zwar löschen und nicht zum wiederholten Mal versuchen, aus den Daten Geld zu machen.»
Zudem bemängelt Steiger, dass die gesetzliche Grundlage nicht immer eindeutig geklärt sei. Welches Datenschutzgesetz greift wann? «Die Stammgemeinschaft eHealth Aargau ist eigentlich ein privater Verein, der recht staatsnah ist, gemäss der Vereinbarung gilt sie sogar als öffentliches Organ. Das ist ein Klassiker, es ist ein öffentliches Organ, welches aber nicht der demokratischen Kontrolle unterliegt.»
Ergebnisse werden wohl bald kommuniziert
Es gibt eine sogenannte Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Aargau, die nämlich gleichzeitig nicht öffentlich ist, wie Steiger in seinem Podcast «Datenschutz Plaudereien» diskutiert. Der Kanton fügt an, dass auf Anfrage die Leistungsvereinbarung zur Verfügung gestellt werden kann. «Mittels einer Medienmitteilung vom 20. Juni 2022 sind die wichtigsten Punkte der Lestungsvereinbarung einzusehen», so Hassler.
Er geht davon aus, dass man die Daten in der einen oder anderen Form hat retten können. «Ich bin sehr neugierig, was man retten konnte, allerdings glaube ich nicht, dass die Daten zu retten sind, alleine von der Qualität her – die hat ja schon der eidgenössische Datenschutzbeauftragte als sehr schlecht beurteilt.» Bei diesem aktuellen Stand müsste jeden Tag mit öffentlicher Kommunikation zum Erfolg des Vorprojektes zu rechnen sein.
(sib)Impfdaten-Knatsch