Nicht nur die Deutschschweiz

Junge, Langhaarige, Lernende: Diese Gruppen sind im Bundesrat auch nicht vertreten

10.12.2022, 08:44 Uhr
· Online seit 10.12.2022, 06:57 Uhr
Der Bundesrat soll die Schweiz regieren und die Bevölkerung repräsentieren. Für die aktuelle Zusammensetzung gibt es Kritik, gerechtfertigt oder nicht. Aber es gäbe ja noch viele Gruppen, die im Bundesrat nicht vertreten sind. Eine nicht ernst gemeinte Liste.
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Mit der Wahl von Elisabeth Baume-Schneider in die Landesregierung geht ein Aufschrei durch das Land: Oh nein, die deutsche Schweiz ist im Bundesrat plötzlich in der Unterzahl – und nicht mehr richtig repräsentiert. Dasselbe gilt für die Städte, sechs der sieben Bundesräte wohnen auf dem Land.

Bei der Wahl Albert Röstis hat sich dagegen niemand aufgeregt. Obwohl mit Hans-Ueli Vogt ein offen homosexueller Mann in den Bundesrat hätte gewählt werden können. Man könnte schon argumentieren, die queere Community sei ganz ohne Vertretung unterrepräsentiert, genauso wie People of Colour und Personen mit Migrationshintergrund (von Ignazio Cassis mal abgesehen).

Neben diesen Personengruppen, die wirklich eine Vertretung im Bundesrat verdienen, gibt's aber noch ganz andere. Solche, die eher in die Kategorie Deutschschweiz und Städter gehören.

Wird Zeit, dass auch über sie endlich gesprochen wird. Wie sollen sie sich nur mit den sieben Bundesräten identifizieren? Und wer sind diese Leute überhaupt?

Personen unter 50

Naturgemäss wird ein Stamm immer von den Ältesten angeführt, im besten Fall sind sie gleichzeitig auch die Weisesten. Für eine Landesregierung ist der Bundesrat im Schnitt auch nicht besonders alt, Guy Parmelin hat mit 63 die meisten Winter erlebt. Verglichen mit Joe Biden (80) oder Lula Da Silva (77) ist er jedoch geradezu ein Jungspund.

Trotzdem gibt es mit der neuseeländischen Regierungschefin Jacinda Ardern (42) oder der finnischen Regierungschefin Sanna Marin (34) auch gute Beispiele für junge Anführerinnen. Und wenigstens eine oder einer von sieben könnte ja ein wenig jünger sein.

Langhaarige

Egal ob lange Rockermähne, fettige Severus-Snape-Fäden oder Manbun mit Undercut: Niemand im Bundesrat hat lange Haare. Da wundert es auch nicht, dass weder teure Haarspülungen noch Hitzeschutzsprays fürs Glätteisen subventioniert sind.

Dass sich Alain Berset nicht mehr für solche Themen erwärmen kann, können wir nachvollziehen. Albert Rösti hat jedoch auch mit 55 noch eine ziemlich volle Haarpracht, die er aus Solidarität mit den Langhaarigen wachsen lassen müsste. So könnte der Öl-Lobbyist als UVEK-Chef vielleicht auch Brücken zu den Grünen bauen.

Leute, die eine Lehre gemacht haben

Wer Bundesrat werden will, sollte keine Berufslehre absolvieren. Das zeigt sich ganz klar bei der aktuellen Landesregierung: Niemand der sieben Bundesräte hat gestiftet. In der Regel führte der Weg über die Matura zum Studium.

Zwar kann man wohl nicht jedem Mitglied des Bundesrats spitzzüngig vorwerfen, dass sie oder er noch keinen Tag richtig «gearbeitet» hat – so wie das der Volksmund gerne macht. Denn immerhin ist Elisabeth Baume-Schneider die Tochter eines Landwirts, genauso wie Ignazio Cassis und Guy Parmelin, der sich auch noch selbst zum Landwirten und Winzer ausbilden liess.

Trotzdem: Das Ausbildungsmodell Berufslehre hat sich bewährt und ist ein Grundpfeiler des Schweizer Arbeitswesens. Wenigstens ein oder zwei Bundesratsmitglieder könnten sich vertieft damit auseinandersetzen und eine Lehre absolvieren. Alain Berset zum Beispiel könnte MPA lernen – oder Automech. Dann lässt er das mit dem Fliegen vielleicht sein.

Hobbypumper

Gefühlt jede zweite Person wohnt mittlerweile im Fitnessstudio, ernährt sich von Kreatin und Citrullin-Malat und zählt sowohl Schritte als auch Kalorien.

Und im Bundesrat? Wo sind da die muskelbepackten Pumper mit lächerlich kleinem Tanktop und Gymwear, die so eng anliegt, dass die Oberschenkel einschlafen? Warum spannt beim Bundesratsfoto niemand die Muckis an? Bestimmt hätte Ignazio Cassis auch mehr Erfolg bei den Verhandlungen mit der EU, wenn er 120 Kilo auf der Hantelbank drücken könnte.

Eine kleine Ausnahme ist hier Alain Berset: Als Jugendlicher wurde er Westschweizer Junioren-Meister im 800-Meter-Lauf. Immerhin konditionell scheint er auf der Höhe zu sein. Aber Muskeln? Fehlanzeige.

Geringverdiener

Natürlich ist die Schweiz ein reiches Land. Im Schnitt. Doch auch wo Milch und flüssiges Gold fliessen, gibt es Personen, bei denen am Ende des Geldes noch viel Monat übrig ist. Die mit wenig durchkommen müssen, deren Adidas-Trainer vier Streifen haben und das Prix-Garantie-Bier nur dann kaufen, wenn es in Aktion ist.

Ein aktiver Bundesrat dagegen bekommt einen Lohn von rund 450'000 Franken pro Jahr. Das sind 37'500 Franken pro Monat. Netter Zapfen. Natürlich sind die Arbeitsstunden furchtbar und das Privatleben inexistent, aber am anderen Ende der Skala sind diese Parameter wohl ziemlich ähnlich.

Bundesräte gelten als zugänglich, wenn sie einfach sprechen und sympathisch rüberkommen, doch können sie die Leiden des einfachen Volkes wirklich verstehen?

Wissen wir nicht. Auch wenn es anderswo bestimmt schlimmer ist und die Schweiz vordergründig kein richtiges Klassensystem kennt.

veröffentlicht: 10. Dezember 2022 06:57
aktualisiert: 10. Dezember 2022 08:44
Quelle: FM1Today

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