«Classic Cocktails» sind aus der internationalen Barkultur nicht wegzudenken. Manche, wie der Martini, haben es in Bond-Filmen zu Kultstatus gebracht. Um andere ranken sich Legenden, wie um den Mojito, angeblich das Lieblingsgetränk von Ernest Hemingway. Aber wo und wie sind diese hochprozentigen Evergreens entstanden?
Bellini, Harry's Bar, Venedig
Der Bellini ist ein solcher Klassiker, dass man ihn sogar in deutschen Supermärkten bekommt, abgefüllt in Dreiviertelliter-Flaschen. Mit dem Original aus Harry's Bar in Venedig haben solche Fertigmischungen allerdings nur wenig zu tun. Dort wurde der Bellini zum ersten Mal 1948 serviert – wobei sich die Puristen streiten, ob es sich tatsächlich um einen Cocktail handelt. Manche vertreten die Auffassung, dass ein richtiges Mix-Getränk aus mindestens drei Zutaten bestehen muss. Für einen ordentlichen Bellini reichen zwei: weisse Pfirsiche und Prosecco.
Anfangs gab der Gründer von Harry's Bar, Giuseppe Cipriani, noch frische Stücke von Weinbergpfirsichen dazu. Dann begann er, die Früchte auszupressen. Inzwischen wird der Bellini auch in besseren Bars nahezu überall mit Pfirsichpüree serviert – auch in Venedig. Der Beliebtheit von Harry's Bar schadet das nicht, ebenso wenig wie das oft etwas hochnäsige Gehabe des Personals und die Preise. Die 20-Euro-Grenze hat der Drink dort längst überschritten.
Piña Colada, Caribar, Puerto Rico
Getränke aus Rum, Ananas und Kokos sind in der Karibik schon lange Teil der Getränkekultur. Dem puerto-ricanischen Piratenkapitän Roberto Cofresí wird nachgesagt, seiner Schiffsbesatzung bereits im frühen 19. Jahrhundert ein solches Gemisch verabreicht zu haben. Der Name Piña Colada (gesiebte Ananas) wurde hingegen 1922 im «Travel Magazine» einem Getränk in Kuba zugeschrieben.
Dennoch ist der Cocktail seit 1978 Puerto Ricos Nationalgetränk. Nach Darstellung des Strandhotels Caribe Hilton in der Hauptstadt San Juan kreierte der Barkeeper der dortigen Caribar, Ramón «Monchito» Marrero, nach monatelangem Experimentieren 1954 das Rezept aus Rum, Kokoscreme, Schlagsahne, Ananassaft und zerstossenem Eis. I-Tüpfelchen sind ein Stück Ananas und eine Cocktailkirsche.
Martini, The Knickerbocker Hotel, New York
Gin und trockener Wermut, dazu eine Olive: Der Martini gehört zu den bekanntesten Cocktails der Welt – vor allem dank James Bond, der ihn in verschiedenen Versionen, aber immer «geschüttelt, nicht gerührt» trinkt. Wo, wie, wann und von wem der Martini erfunden wurde, das ist unklar – es gibt Dutzende Anekdoten und Gerüchte.
Eine Version, die sich hartnäckig hält, sieht die Ursprünge im Knickerbocker Hotel direkt am New Yorker Times Square. 1912 soll ein Bartender namens Martini di Arma di Taggia dem Business-Mogul John D. Rockefeller dort den ersten Martini serviert haben. Heute hat das Hotel, das 2015 nach grosser Renovierung wieder eröffnete, gar eine eigene «Martini Suite».
Swimming Pool, Schumann's Bar, München
«Es war die Zeit des Rums und der Kokosdrinks, süss ohne Ende», sagt Charles Schumann über die späten 1970er Jahre. Die Getränke wurden damals auch nach Farbe konsumiert. Als ihn ein Gast bat, seine Piña Colada noch «spektakulärer» zu machen, gab Schumann einfach einen Schuss blauen Likör dazu – und der Swimming Pool war geboren.
Die Schumann's Bar prägt seit über 40 Jahren die Münchner Trinkkultur, und dazu gehört bis heute der blaue Cocktail. Mittlerweile habe er das Dessertgetränk perfektioniert, erzählt der Maestro: «Ich nehme weissen Rum, Kokoscreme und, wenn es geht, frisch pürierte Ananas – und einen Löffel geschlagene Sahne dazu.» Dann noch Blue Curaçao, Eis und das ganze schütteln, fertig ist der kultige Sommerdrink.
Irish Coffee, Buena Vista Cafe, San Francisco
Die Geschichte, wie Irlands Nationalgetränk auch in den USA zum Hit wurde, begann vor über 70 Jahren. Damals hatte der amerikanische Reiseschriftsteller Stanton Delaplane am Shannon Flughafen in Irland erstmals die Mischung aus Kaffee, Sahne, Zucker und Whiskey gekostet. Der Besitzer des Buena Vista Cafes in San Francisco, Jack Koeppler, forderte ihn 1952 heraus, gemeinsam den perfekten Irish Coffee in Kalifornien zu kreieren. Dazu hätten sie einige Nächte gebraucht, sagt Barkeeper John Jeide augenzwinkernd an der langen Holztheke der Bar im Hafenviertel Fisherman's Wharf.
Blitzschnell füllt Jeide eine lange Reihe angewärmter Kelchgläser mit den klassischen Zutaten. Zwei Stück Würfelzucker landen im Glas, darauf dampfend heisser Biokaffee, kräftig umrühren, dann ein guter Schuss irischer Whiskey der Marke Tullamore D.E.W. Der Trick am Ende: Im Mixer wird extra fette Sahne nur halbsteif geschlagen, so dass sie über einen Löffel ins Glas gleitet und obenauf schwimmt. Der kleine Unterschied zum Original-Rezept aus Irland – «die nehmen braunen Zucker, wir weissen», sagt Jeide.
Mimosa, Ritz Bar, Paris
Der elegante Drink, der sich seinen Namen von den sattgelben Mimosa-Blumen aus Südfrankreich geliehen hat, besteht zu gleichen Teilen aus Champagner und Orangensaft. Auf wen genau der simple Cocktail zurückgeht, ist nicht ganz sicher. Die Legende schreibt den Cocktail Frank Meier von der Ritz Bar zu, wie das Pariser Edelhotel der dpa mitteilte. Meier soll ihn 1925 kreiert haben. Immerhin taucht das Getränk eine Dekade später in Meiers Buch «The Artistry of Mixing Drinks» auf. «Aber er beansprucht ihn nicht offiziell für sich und so bleibt es ein Mysterium», meint das Ritz.
Gemunkelt wird, dass bereits vor 1925 in Grossbritannien ein ähnlicher Drink gemixt wurde – allerdings mit mehr Champagner und weniger Saft. Wer heute die Ritz Bar an der noblen Place Vendôme in Paris besucht, erhält ebenfalls eine etwas andere Version als die von Meier. Zu Champagner und Orangensaft gesellen sich mittlerweile Triple Sec und ein Tropfen Mimosablumenessenz.
Cosmopolitan, The Odeon, New York
Wohl kein Cocktail ist so typisch New York wie der Cosmopolitan, gemixt aus Wodka, Orangenlikör, Limetten- und Cranberrysaft. In der Serie «Sex and the City» tranken sich ab Ende der 1990er Jahre Carrie Bradshaw und Co. durch die Cosmopolitans des Big Apple. Erfunden wurde der Drink in den 1980er Jahren im damaligen In-Lokal The Odeon im Stadtteil Tribeca von Bartender Toby Cecchini. Das Geheimnis des Erfolges: «Seine verlockende pinke Farbe, die Präsentation in einem Martini-Glas und sicher auch der Name und die zeitgemässen Zutaten», sagte Cecchini einmal in einem Interview.
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Daiquirí, El Floridita und Mojito, La Bodeguita del Medio, Havanna
Für Kuba-Besucher ist es beinahe Pflichtprogramm, in El Floridita einen Daiquirí und in La Bodeguita del Medio einen Mojito zu trinken. Hinter dem Tresen in letzterem Lokal hängt ein eingerahmter Zettel, auf dem «My mojito in La Bodeguita, My daiquirí in El Floridita» geschrieben steht, gefolgt von der Unterschrift: «Ernest Hemingway».
Der Literatur-Nobelpreisträger trank gerne ungesüsste Daiquirís mit doppeltem Rum in der seit 1817 bestehenden Bar El Floridita, als er zwischen 1932 und 1960 zeitweise in dem Karibikstaat lebte. Eine Hemingway-Statue ist Stammgast an einem Ende des Tresens – und ein beliebtes Fotomotiv. Dazu spielt eine Band Evergreens wie «Guantanamera». Der Drink wird aus Rum, Limettensaft, Zuckersirup, Maraschino-Likör und Crushed Ice gemischt. Im Floridita kostet ein Daiquirí nach derzeitigem Kurs drei Euro – knapp ein Fünftel eines durchschnittlichen kubanischen Monatsgehalts.
Der Mojito hat fast die gleichen Zutaten, erhält seinen ureigenen Geschmack aber durch Minzblätter. Das Ganze wird durch Zerstossen gemischt und mit Sodawasser aufgefüllt. Der Ursprung des Drinks und seines Namens ist ungeklärt. In der 1942 eröffneten Bodeguita sind schon Prominente von Salvador Allende bis Robert De Niro eingekehrt, um einen Mojito zu kosten. Die Unterschriften unzähliger Besucher, die die Wände zierten, fielen vor kurzem einer Renovierung zum Opfer. Hemingways Zettel ist zwar noch da – ist aber eine Fälschung, wie der frühere Betreiber zugab. Biograf Philip Greene schrieb, Hemingway habe wohl weder La Bodeguita besucht noch Mojitos getrunken.
Black Russian, Hotel Metropole, Brüssel
Kaffeelikör und Wodka auf Eis – der Black Russian («schwarzer Russe») ist ein klassischer Short-Drink. Erfunden wurde das Getränk verschiedenen Angaben zufolge vom Barkeeper Gustav Tops im Jahr 1949. Der Belgier soll den Drink im Brüsseler Luxushotel Métropole zu Ehren des damaligen US-Botschafters in Luxemburg serviert haben, so schreibt es unter anderem die Zeitung «The Brussels Times».
Das altehrwürdige Hotel mit Belle-Epoque-Einrichtung in der Altstadt der belgischen Hauptstadt wird derzeit umfassend renoviert und soll 2025 wiedereröffnet werden. Doch der süsse Geschmack des Getränks, der fast an ein Dessert erinnert, lässt sich auch in anderen Bars der Stadt kosten. Ergänzt mit Sahne wird das Getränk zum White Russian – und hat spätestens seit dem Film «The Big Lebowski» und den späten 1990er Jahren Kult-Status.
Singapore Sling, Long Bar, Singapur
Kaum ein Drink der Welt hat eine so hübsche Entstehungsgeschichte wie der Singapore Sling, heute das Nationalgetränk des Stadtstaates. Man schrieb das Jahr 1915. Im kolonialen Singapur tummelten sich Plantagenbesitzer, die sich in der Long Bar des berühmten Raffles Hotels gerne ein Gläschen Gin oder Whiskey genehmigten. Die Etikette besagte, dass Frauen in der Öffentlichkeit keinen Alkohol trinken durften. Da hatte Barkeeper Ngiam Tong Boon die zündende Idee: Ein Cocktail musste her, der wie Fruchtsaft aussieht, aber in Wirklichkeit Hochprozentiges enthält.
Auf Basis von Gin mischte Boon Ananas- und Limettensaft sowie Curaçao und Bénédictine. Abgerundet wurde das Getränk mit Grenadine und Kirschlikör, was ihm bis heute seinen rosigen Farbton verleiht. «Der Singapore Sling wurde natürlich sofort ein Hit», erzählt ein Mitarbeiter. Heute lockt die Bar Besucher aus aller Welt, schon mittags bildet sich eine Schlange – trotz des stolzen Preises von 39 Singapur Dollar (27 Euro) pro «Sling». Zum Cocktail gibt es Erdnüsse, die Schalen dürfen die Gäste traditionell auf den Boden werfen. Es handelt sich wohl um den einzigen Ort in Singapur, wo es offiziell erlaubt ist, den Boden zu verschmutzen.
(sda/log)